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Erfolgreicher Aufbau und Zertifizierung

Swiss Knife - Die Zusammenarbeit zertifizierter Traumazentren in sog. regionalen TraumaNetzwerken (TNW) in enger Abstimmung mit den Rettungsdiensten hat sich in der Vergangenheit im Ausland wiederholt und nachweislich bewährt [1]. Polytraumatisierte Patienten werden anhand evidenzbasierter medizinischer Kriterien einem geeigneten Spital zugewiesen, innerhalb von 60 Minuten in den Schockraum gebracht und dort optimal versorgt. So können jedem Schwerverletzten zu jeder Zeit und auch ausserhalb von Ballungszentren bestmögliche Überlebenschancen geboten werden.
29. September 2018
Lesezeit: 7 Minuten
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Der Grundstein für den Aufbau des TraumaNetzwerks Zentralschweiz wurde mit dem Leistungsauftrag der GDK an das Luzerner Kantonsspital (LUKS) zur Behandlung von Schwerverletzten im Jahr 2011 gelegt. Damit war die Verpflichtung zur Zusammenarbeit und Netzwerkbildung verbunden, dem zentralen Element für die Optimierung der gesamten Transport- und Behandlungskette von schwerverletzten Patienten [2].

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Zwei Jahre später wurde das LUKS als überregionales Traumazentrum DGU (ÜTZ) zertifiziert. Es folgte eine intensive mehrjährige Aufbau-Phase unter Leitung von Prof. Dr. R. Babst (LUKS), in der die teilnehmenden Spitäler des zukünftigen Netzwerks für die Zertifizierung als Traumazentrum sowie für die standardisierte Zusammenarbeit im TraumaNetzwerk Zentralschweiz gewonnen wurden. Diese Phase wurde mit der vertraglichen Vereinbarung der Kriterien zur Aufnahme und Verlegung von schwerverletzten Patienten im Netzwerk im Jahr 2016 erfolgreich abgeschlossen, die Voraussetzungen für die Gründung eines TraumaNetzwerks waren erfüllt. Der bereits bestehende Wissens- und Erfahrungsaustausch und die gute Zusammenarbeit bei der Versorgung schwerverletzter Patienten halfen durch die schwierige und intensive Zeit des Aufbaus.

Heute besteht das TraumaNetzwerk Zentralschweiz aus neun zertifizierten Traumazentren der Versorgungsstufen überregional, regional (RTZ) und lokal (LTZ) (Traumazentren Luzerner Kantonsspital Luzern, Luzerner Kantonsspital Sursee und Wolhusen (LTZ), Zuger Kantonsspital AG (RTZ), Kantonsspital Nidwalden (LTZ), Kantonsspital Obwalden (LTZ), Spital Schwyz (LTZ), Kantonsspital Uri (RTZ) und Schweizer Paraplegikerzentrum Nottwil (LTZ)) und ist seit Anfang 2017 durch die DGU zertifiziert. Unabhängige Experten haben sich vor Ort davon überzeugt, dass die für die jeweilige Versorgungsstufe geltenden personellen, strukturellen und apparativen Ressourcen für die Schwerverletztenversorgung den Anforderungen der DGU entsprechen [3].

Schwerverletztenversorgung am überregionalen Traumazentrum

Am überregionalen Traumazentrum Luzerner Kantonsspital Luzern wurden in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt 557 schwerverletzte Patienten behandelt (Datenquelle: TraumaRegister DGU). In 45% der Fälle wurden die Verletzungen durch Stürze, in 32% durch Verkehrsunfälle (Auto, Motorrad, Fahrrad) verursacht. Die durchschnittliche Verletzungsschwere der Patienten liegt bei einem ISS Score von 23. Kopf (ca. 56%), Thorax (ca. 38%) und die Extremitäten (ca. 21%) sind die am häufigsten betroffenen Körperregionen. Die Trendanalyse der Daten zeigt, dass der Anteil der Patienten mit Kopfverletzungen sowie mit einem ISS Score von > 16 im Beobachtungszeitraum zwischen 2014 und 2017 zugenommen hat.

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Die vom BAG ausgewiesenen Unfallstatistiken zeigen jedoch, dass die Anzahl der durch Unfälle schwerverletzten Personen von Jahr zu Jahr weiter zurückgeht. Folglich könnte der beobachtete Anstieg ein Indiz dafür sein, dass die Zuweisungsvereinbarung zwischen den teilnehmenden Spitälern des TraumaNetzwerks umgesetzt wird.

Ein weiterer Hinweis ergibt sich aus dem Vergleich der Verletzungsmuster zwischen dem LUKS (ÜTZ) und dem Traumaregister DGU (TR-DGU) bzw. den primär behandelten und zuverlegten Patienten des LUKS:

  • Der Anteil der Kopfverletzungen aller am LUKS behandelten PolytraumaPatienten liegt mit 55% über dem des gesamten TR-DGU (45%) - bei vergleichbarer Häufigkeitsverteilung der Unfallarten im Beobachtungszeitraum 2014 - 2016.
  • Der Anteil der Kopfverletzungen bei den ans LUKS zuverlegten Patienten ist mit 61% etwas höher als bei den primären Patienten (54%). -> Dies könnte durch die Einhaltung der Zuweisungsvereinbarung erklärt werden, die eine ZuweisungNerlegung von Patienten mit schweren Kopfverletzungen in die Neurochirurgie des überregionalen Traumazentrums vorsieht.
  • 30% der primären und ca. 20% der zuverlegten Patienten (ISS MW = 29) des ÜTZ weisen Verletzungen an zwei Körperregionen auf. Drei und mehr Körperregionen sind bei ca. 10% der primären Patienten (ISS MW = 45) verletzt, wohingegen bei ca. 5% der zuverlegten Patienten (ISS MW = 39) max. drei Körperregionen betroffen sind. -> Dies deutet darauf hin, dass Polytrauma-Patienten gemäss Verlegungsvereinbarung direkt ans ÜTZ transportiert und dort behandelt werden.

Weiterverlegung von Patienten innerhalb des TraumaNetzwerks

Eine Analyse der TraumaRegister-Daten eines regionalen und zweier lokaler Traumazentren, die 2015 bis 2017 eingegeben wurden, bestätigt die oben beschriebenen Befunde. Die an ein Spital höherer Versorgungsstufe weiterverlegten Patienten (zwischen 10% und 69% der primären Patienten) weisen im Schnitt eine grössere Verletzungsschwere auf als die am jeweiligen Traumazentrum behandelten Patienten.

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Dies zeigt auch eine Analyse der durchschnittlichen Verletzungsschwere von nicht weiterverlegten vs. weiterverlegten Patienten mit Kopf- und Thoraxverletzungen.

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Zwischen 64% und 86% der weiterverlegten Patienten werden an ein Spital des Traumanetzwerks Zentralschweiz verlegt, die meisten (75%) an das ÜTZ.

Vom überregionalen Traumazentrum werden durchschnittlich

  • 11% der schwerverletzten Patienten an ein anderes Spital verlegt, sei es zurück an das zuverlegende oder (auf Wunsch des Patienten bzw. der Angehörigen) an ein heimatortnahes Spital;
  • 35% in eine Rehabilitationsklinik verlegt. Zu den im Jahr 2017 häufig gewählten Spitälern gehören das Schweizer Paraplegikerzentrum Nottwil sowie die Neurorehabilitation des Luzerner Kantonsspitals.

(Datenquelle: TraumaRegister DGU 2015 - 2017)

Kindertraumatologie

Als pädiathsches HSM-Traumazentrum (Leistungsauftrag der GDK [4]) verfügt das LUKS über die Kompetenzen und Ausstattung zur Versorgung schwerverletzter Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 0 und 16 Jahren. Seit 2017 wird die Chirurgie und Anästhesie des Kinderspitals LUKS in die Aktivitäten des überregionalen Traumazentrums eingebunden. 

In den Jahren 2015 bis 2017 wurden 17 schwerverletzte Patienten im Alter zwischen 5 und 16 Jahren in Spitälern des TraumaNetzwerks behandelt. Die häufigsten Ursachen für Verletzungen sind wie bei den Erwachsenen Verkehrsunfälle (77%, insbesondere Fahrrad (35%) und Stürze (unter 3 m, 24%)). Die durchschnittliche Verletzungsschwere liegt bei einem ISS Score von 17.

11 dieser 17 Patienten wurden ans LUKS zuverlegt.

Erfahrungs- und Wissensaustausch im TraumaNetzwerk

Mit der Gründung des Traumanetzwerks Zentralschweiz wurde ein Qualitätszirkel etabliert, der dreimal im Jahr stattfindet. Die Traumanetzwerkverantwortlichen aller teilnehmenden Spitäler (inkl. Kindertraumatologie) sowie Vertreter des Rettungsdienstes [6] kommen zusammen, um sich über Best Practices in der Schwerverletztenversorgung zu informieren, schwierige Fälle zu diskutieren und um Massnahmen zur Weiterentwicklung der Traumazentren und des Netzwerks festzulegen. Elektronische Systeme zum Austausch von Daten (Teleradiologie) sowie gemeinsam entwickelte standardisierte Abläufe gemäss den Anforderungen der DGU S3-Leitlinie [5, 6] (z. B. Schockraum) erleichtern die Kommunikation und TNW-interne Verlegbarkeit von schwerverletzten Patienten.

Ergänzt werden die Qualitätszirkel durch die sog. Traumakränzli, deren Schwerpunkt im Austausch von Wissen und Erfahrung in der Behandlung schwerverletzter Patienten besteht. Durch die persönliche Begegnung und den Gedankenaustausch bleibt das TraumaNetzwerk lebendig.

Weiter- und Fortbildung in der Schwerverletztenversorgung

Präklinische Versorgung und Schockraumbehandlung von schwerverletzten Patienten stellen sehr hohe Anforderungen an die Mitglieder der interdisziplinären und interprofessionellen Teams: Innerhalb kürzester Zeit müssen lebensbedrohliche Verletzungen zuverlässig identifiziert und wirksam behandelt werden. Dies erfordert ein regelmässiges Training nicht-technischer und technischer Fähigkeiten [6,7].

Dementsprechend wurde neben einem internen Training am Schockraumsimulator der sog. TraumaDay im TraumaNetzwerk Zentralschweiz im vergangenen Jahr ins Leben gerufen. Aufgrund des grossen Interesses und der positiven Rückmeldungen wird diese Veranstaltung zur Fort- und Weiterbildung in der Schwerverletztenversorgung zukünftig einmal pro Jahr durchgeführt. Sie fokussiert in erster Linie auf die Mitarbeiter der teilnehmenden Traumazentren. Die thematischen Schwerpunkte werden praxisnah gemäss Bedarf festgelegt und wechseln von Jahr zu Jahr. Der TraumaDay dient nicht nur der Vermittlung von Wissen, sondern auch der Übung von praktischen Fertigkeiten in Workshops. Darüber hinaus soll der TraumaDay die Kooperation zwischen den Traumazentren fördern.

Fazit und Ausblick

Das TraumaNetzwerk Zentralschweiz konnte erfolgreich etabliert werden. Es bietet den Patienten in der Zentralschweiz eine zeitnahe und qualitativ hochwertige Versorgung, Die Auswertung der im TraumaRegister erfassten Daten deutet darauf hin, dass die Zusammenarbeit zwischen den Netzwerkpartnern im Sinne der Verlegungsvereinbarung und zum Wohle des Patienten funktioniert. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit, das gemeinsame Lernen aus Fehlern und in Weiterbildungsveranstaltungen sind eine sehr gute Basis, die Qualität und das Outcome der Versorgung schwerverletzter Patienten weiter zu verbessern. Die Frage, ob sich durch ein Traumanetzwerk die Versorgungsqualität auch in der Schweiz beeinflussen lässt, wird erst durch die Analyse der neu erhobenen Daten aus dem Schweizer Traumaregister beantwortet werden können.

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Referenzen

  1. S3 Leitlinie Polytrauma/ Schwerverletzten-Behandlung der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU)
  2. GDK Reevaluation - Behandlung von Schwerverletzten (Schlussbericht 9. März 2017)
  3. swiss knife 2017, 2 TraumaNetzwerk Zentralschweiz - Von den Bemühungen um die bestmögliche Versorgung von Schwerverletzten
  4. GDK - Triagekriterien für schwerverletzte Patienten und Patientinnen
  5. DGU Weissbuch Schwerverletztenversorgung (2. erw. Auflage, 2012)
  6. Kongressbericht 2. Jahreskongress TraumaNetzwerk DGU (Deutsche Gesellschaft für Chirurgie - Mitteilungen 3/10) 
  7. Qualitätssicherung interdisziplinärer Polytraumaversorgung (Anästhesist 2007, 56:673 - 678)

Quelle: Swiss Knife vom 29.09.2018

Autoren

  • Frank Beeres, Leitender Arzt Orthopädie und Unfallchirurgie Luzerner Kantonsspital Luzern 
  • Björn-Christian Link, Leitender Arzt Orthopädie und Unfallchirurgie Luzerner Kantonsspital Luzern
  • Michael Sticke!, Oberarzt Interdisziplinäres Notfallzentrum Luzerner Kantonsspital Luzern
  • Anja Waltenspül, Leitung Qualitätsmanagement Luzerner Kantonsspital Luzern
  • Andreas Rindlisbacher, Stv. Chefarzt Klinik für Orthopädie und Traumatologie Zuger Kantonsspital AG
  • Gudrun Lindemann, Chefarzt Allgemein-, Unfall- und Viszeralchirurgie Kantonsspital Obwalden
  • Martin Baur, Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie und Orthopädie Schweizer Paraplegikerzentrum Nottwil,
  • Andreas Remiger, Chefarzt Orthopädie und Traumatologie Kantonsspital Nidwalden
  • Steffen Pfarr, Leitender Arzt Chirurgie Spital Schwyz
  • Marcel Ziswiler, Co-Chefarzt Chirurgie Kantonsspital Uri
  • Beat Galliker, Leitender Arzt Chirurgie Luzerner Kantonsspital Sursee
  • Tobias Flückiger, Leitender Arzt Chirurgie Luzerner Kantonsspital Wolhusen
  • Reto Babst, Chefarzt Unfallchirurgie, Departementsleiter Chirurgie Luzerner Kantonsspital Luzern

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