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Häufige Hauttumoren: Risiken und Prävention

Schweizer Zeitschrift für Onkologie - In Anbetracht der erhöhten Inzidenz von Hautmalignome in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern Europas fokussiert dieser Artikel auf maligne Melanome, Basalzell- und spinozelluläre Karzinome. Grundsätzlich gilt: Durch Früherkennung lassen sich Behandlungsmöglichkeiten und Prognose von Hauttumoren entscheidend verbessern. Wichtig ist neben der Sekundär- auch die Primärprävention, beide sollten bei ein- und derselben dermatologischen Untersuchung durchgeführt werden.
21. Februar 2019
Lesezeit: 9 Minuten
Wysocki Anja WebseiteBanner

Dr. med. Anja Wysocki, Leitende Ärztin Dermatologie, Leiterin Hauttumorzentrum

Der einfache Zugang zu den auf der Haut liegenden Tumoren bieten ideale Voraussetzungen für die Selbstuntersuchung und das Screening durch den Arzt. Dies bedeutet ideale Voraussetzungen für die Früherkennung im Sinne der Sekundärprävention durch Selbstuntersuchung und medizinische Ganzkörperkontrolle. Während der dermatologischen Untersuchung hat der Arzt/die Ärztin die Gelegenheit, in derselben Sitzung über Primärprävention, das heisst über mögliche Ursachen, zu informieren, die eine Entstehung von Hauttumoren begünstigen können.

Steigende Inzidenz von Hauttumoren

In der Schweiz erkranken jährlich im Durchschnitt 2450 Menschen an einem malignen Melanom, etwa 310 sterben daran. Damit steht das Melanom an Platz 4 der Tumorerkrankungen in der Schweiz. Als mögliche Ursachen für die seit Jahren steigende Inzidenz in der Schweiz wird das veränderte Freizeitverhalten mit intensiver Sonnenexposition (z.B. auch im Winter im Hochgebirge), Fernreisen in südliche Länder sowie die steigende Lebenserwartung verantwortlich gemacht - aber auch die bessere Früherkennung von Melanomen durch gute medizinische Versorgung.

Eine Studie aus den USA hat das Risiko für die Entstehung eines Melanoms auf das Lebenszeitrisiko berechnet, was sehr viel anschaulicher ist als lnzidenzzahlen: Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit für einen US-Amerikaner, an einem In-situ-Melanom oder einem invasiven Melanom zu erkranken, bei 1:28. Für epitheliale Tumoren (NMSC; non melanoma skin cancers) wurden in der Schweiz bislang keine statistischen Daten erhoben. Man schätzt die Zahl für das Basalzellkarzinom (BZK) und das Plattenepithelkarzinom (PEK) zusammen auf 25 000 Neuerkrankungen jährlich. Dass die Selbstuntersuchung und der gezielte Arztbesuch bei hohem Risiko oder verdächtigen Veränderungen ein wichtiger Faktor für die Früherkennung von Hauttumoren darstellen, ist unumstritten. Der Nutzen von grossangelegten Screeningprogrammen in Deutschland wird kontrovers diskutiert.

Wertung der Risikofaktoren für die Entstehung eines malignen Melanoms

Für die Melanomentstehung sind sowohl intermittierende Sonnenexpositionen als auch Sonnenbrände in jedem Lebensalter von Bedeutung. 
Die Frage, welcher Patient ein erhöhtes Melanomrisiko trägt, wurde in vielen Studien untersucht und ist noch nicht abschliessend geklärt. Klar erkennbar ist, dass ein multifaktorielles Geschehen vorliegt. Die hohe Anzahl der Pigmentmale, insbesondere wenn atypische Nävuszellnävi vorhanden sind, gilt als wichtiger prognostischer Faktor. Nävusassoziierte Melanome treten gehäuft bei Patienten mit mehr als 100 Nävi und einer frühen Diagnose von ln-situ-Melanomen auf, sodass diese Patienten von der Dokumentation mittels digitaler Dermatoskopie profitieren können.
In einer grossen retrospektiven Studie aus Österreich erweisen sich genetische Faktoren, Anzahl der Nävi und der aktinische Lichtschaden der Haut als massgeblichere Kriterien, ein Melanom zu entwickeln, und zwar vor Hauttyp und Haarfarbe.
Ein weiterer Risikofaktor ergibt sich gemäss der Metaanalyse von Boniol aus wiederholten Solariumbesuchen, insbesondere wenn diese vor dem 35. Lebensjahr stattfinden. Die UV-Strahlung von Solarien belastet die Haut zusätzlich, beschleunigt die Hautalterung und erhöht das Hautkrebsrisiko, sodass von Solarienbesuchen in internationalen Empfehlungen (der WHO) abgeraten wird. 

Risikofaktoren für die Entstehung von Basalzell- und Plattenepithelkarzinom

Für NMSC zeigen sich Risikofaktoren wie Hauttyp, die Anzahl aktinischer Keratosen (AK), NMSC in der eigenen Vorgeschichte, Immunsuppression und Röntgenkombinationsschaden. Beim NMSC sind meist ältere Menschen ab dem 70. Lebensjahr betroffen. Auch chronische Wunden und Verbrennungsnarben können maligne entarten. Karzinogene Substanzen wie Arsen oder Teer, insbesondere im beruflichen Umfeld, sowie HPV-Infektionen werden als zusätzliche Risikofaktoren angesehen. Für die Entstehung eines Plattenepithelkarzinoms ist die kumulative lebenslange UV-Exposition entscheidend, für ein Basalzellkarzinom die intermittierende Exposition und Sonnenbrände.

Primärprävention von Hauttumoren

Sonnenschutz
Eine einfache und wirksame Massnahme im Sommer ist der Aufenthalt im Schatten zwischen 11 und 15 Uhr, da in diesem Zeitraum die meiste UV-Strahlung die Erde erreicht. Freizeitaktivitäten sollte man, soweit möglich, dem zu erwartenden UV-Index angepasst planen, der täglich abgerufen werden kann. Auf unbedeckte Körperstellen sollte reichlich Lichtschutzcreme mit UVB-Schutzfaktor 50+ und hohem UVA-Faktor mindestens 30 Minuten vor der Exposition aufgetragen und die Anwendung nach 3 Stunden wiederholt werden. Der Gebrauch von Sonnencreme darf jedoch nicht dazu führen, die Expositionszeit deutlich zu verlängern.

In der Schweiz ist es sinnvoll, die Haut auch im Frühling und Herbst zu schützen. Lediglich im November, Dezember und Januar sind die UV-Strahlen in der Ebene so schwach, dass es keines Sonnenschutzes bedarf. Beim Aufenthalt in den Bergen ist dieser hingegen ganzjährig unerlässlich.

Den sichersten Lichtschutz erreicht man durch Textilien. Ideal sind dichte, dunkle Stoffe oder UV-Schutzkleidung. Ausserdem sollten ein breitkrempiger Hut und eine hochwertige Sonnenbrille getragen werden. Kinder müssen besonders sorgfältig vor Sonne geschützt werden, Säuglinge sollen der direkten Sonne nicht ausgesetzt werden. Hier gibt es noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Gerade in Krippen und Kindergärten fehlen oft beschattete Spielflächen. Bei Menschen, die beruflich UV-Licht exponiert sind, besteht dringend Aufklärungsbedarf in der Umsetzung von Sonnenschutzmassnahmen. Lediglich ein Drittel wendet beruflich konsequent Sonnencreme an, zwei Drittel haben bereits mehrfach Sonnenbrände durchgemacht.

Vitamin D
Die Fragen zu Vitamin D bezüglich Primärprävention von Hautmalignomen können nach aktuellem Wissensstand nicht abschliessend beantwortet werden. Bei Patienten mit hohem Hautkrebsrisiko (v.a. Immunsupprimierte), welche ganzjährig konsequent umfassend Sonnenschutz betreiben, sollte der Vitamin-D-Spiegel kontrolliert und bei Bedarf Vitamin D substituiert werden. Die Frage, wie hoch eine massvolle UV-Exposition sein soll, um eine ausreichende endogene Vitamin-D-Versorgung sicherzustellen, ohne ein erhöhtes Hautkrebsrisiko einzugehen, kann derzeit nicht beantwortet werden. Viele Dermatologen gehen pragmatisch mit dieser Situation um und raten, Vitamin D prophylaktisch zu substituieren bei gleichzeitig konsequentem Lichtschutz.

Wirksame Aufklärung durch Dermatologen
Dermatologen sollten unbedingt die Gelegenheit nutzen, ihre Patienten während der Routineuntersuchung über das Thema Sonnenschutz zu informieren. Eine Studie zeigte, dass eine Kurzintervention von drei Minuten bewirkt, dass der Einsatz von Sonnencreme erhöht und in der Folge die Anzahl der Sonnenbrände reduziert werden können.
Einer weiteren Studie zufolge sind auch bei Medizinstudenten die Kenntnisse über Sonnenschutz und die Wirkung von UV-Licht mangelhaft - trotz gleichzeitig gutem Wissensstand über Hautkrebs. Es wäre sinnvoll auch hier anzusetzen, damit die angehenden Ärzte ihre Patienten später besser instruieren können. Dass der konsequente Gebrauch von Sonnencreme das Risiko senkt, ein Melanom zu entwickeln, konnte eine aktuelle Metanalyse nach vielen widersprüchlichen Ergebnissen in der Vergangenheit zeigen.

Flyer Hauttumorzentrum Zuweiseranlass

Sekundärprävention von Hauttumoren

Eigen- und Partneruntersuchung auf Hautkrebs
Einmal im Monat sollte die gesamte Haut vor einem grossen Spiegel zusätzlich mit Hilfe eines Handspiegels oder durch den Partner kontrolliert angesehen werden. Besondere Aufmerksamkeit gilt den sonnenexponierten Arealen wie Gesicht, Ohren, Hals, Dekollete, Armen und Händen. Aber auch Kopfhaut, Intimbereich, Fusssohlen sollten genau angesehen werden.
Verheiratete Frauen und Männer erkennen Melanome bei ihrem Ehepartner viel früher, als dies bei Ledigen, Geschiedenen oder Verwitweten der Fall ist, wie Untersuchungen gezeigt haben. Das «Aufeinander-Achtgeben» spielt eine bedeutsame Rolle. Daraus könnte man die Empfehlung ableiten, bevorzugt alleinstehende Menschen einem regelmässigen Hautkrebsscreening zuzuführen.

Worauf sollte man bei der Früherkennung achten?
Die bekannte ABCDE-Regel ist ein guter Leitfaden, um Melanome früh zu erkennen. Damit sind folgende Warnzeichen für Pigmentmale beschrieben:

  • Asymmetrie
  • unregelmässige Begrenzung
  • mehrere Farbtöne Color
  • Durchmesser über 6 mm
  • Entwicklung im Wachstum

Zusätzlich hat sich der Begriff des «hässlichen Entleins» etabliert: Hiermit ist die Hautveränderung gemeint, die anders aussieht als alle anderen. Unter Anwendung dieser Regeln führen jedoch seborrhoische Keratosen viele Menschen zum Hautarzt. Diese sind häufig mehrfarbig, juckend, schuppend, wachsend, asymmetrisch, das heisst, sie weisen alle Kriterien maligner Veränderungen auf. Mittels Auflichtmikroskopie und oft auch klinisch kann die gutartige Läsion von einem Arzt einfach diagnostiziert werden.
Wegen der Schwierigkeit, ein Pigmentmal selbst richtig einzuordnen, rät die Krebsliga der Schweiz sehr pragmatisch, dass das persönliche Gefühl der Veränderung eines Pigmentmals Grund genug ist, es einem Arzt zu zeigen.

Untersuchung von Risikopatienten durch den Dermatologen
Bei Betroffenen wird zunächst die Anamnese erhoben, danach eine Ganzkörperuntersuchung mithilfe der Auflichtmikroskopie und bei fraglichen Veränderungen eine Biopsie durchgeführt. Bei Risikopatienten mit vielen atypischen Nävuszellnävi wird eine digitale Ganzkörperfotografie veranlasst. Einzelne in ihrer Dignität nicht eindeutige Veränderungen können hiermit sehr gut digital auflichtmikroskopisch  verlaufskontrolliert werden. Dadurch können Exzisionen an anatomisch schwierigen Lokalisationen und bei Kindern vermieden werden . 

Untersuchungsmethoden für die Zukunft
Die bemerkenswerte Publikation in der Zeitschrift «Nature» von 2017 zeigte, dass ein digitales Bildauswertungsprogramm epitheliale und melanozytäre Tumoren anhand von klinischen und auflichtmikroskopischen Bildern im Vergleich mit 25 qualifizierten Dermatologen genauso gut, wenn nicht besser diagnostizieren kann. Diese Ergebnisse konnten 2018 von einer europäischen Studie bestätigt werden. Mit der Entwicklung entsprechender Algorithmen stellt sich die Frage, ob in der Zukunft auch Apps zum Hautkrebsscreening für Smartphones zur Verfügung stehen könnten. Zurzeit sind solche Apps zur Eigendiagnose durch Laien nicht ausreichend validiert. Das Computersystem könnte aber als zusätzliche apparative Diagnostik für Dermatologen dienen, um bestehende Diagnostiksysteme zu verbessern.

Effektive Behandlung von Präkanzerosen

Im Gegensatz zum Basalzellkarzinom (BZK), das ohne Vorläufer de novo auf der Haut entsteht, kennen wir beim Plattenepithelkarzinom (PEK) die aktinische Keratose (AK) als mögliche Vorstufe. Die AK ist Ausdruck eines chronischen Lichtschadens der Haut. Anhand aktueller Zahlen haben hellhäutige Europäer und Amerikaner ein nahezu 100%-iges Risiko, nach dem 70. Lebensjahr aktinische Keratosen zu entwickeln.
Allerdings wandelt sich nur ein kleiner Teil zu invasiven Karzinomen um. Bisher ging man davon aus, dass die drei klinischen Stadien nach Olsen hilfreich seien, um vorhersagen zu können, welche Läsionen entarten werden. Man nahm an, dass die klinisch auffälligen hyperkeratotischen und entzündlichen Plaques ein höheres Risiko darstellen. Anhand einer neueren Arbeit aus Österreich zeigte sich, dass die klinische Einteilung nicht mit den histologisch vorhandenen Atypien korreliert. Daraus folgt die Empfehlung, alle aktinischen Keratosen, das heisst die sogenannte Feldkanzerisierung, zu behandeln. Erfreulicherweise stehen uns heute eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Unter anderem mehrere Cremes, die der Patient selbst aufträgt, wie zum Beispiel eine Kombination von Diclofenac und Hyaluronsäure (Solaraze® Gel), lmiquimod 5% (Aldara oder 3,75% (Zyklara®), 5-FU 5% (Efudix und Ingenolmebutat (Picato Gel). Bei der Photodynamischen Therapie wird mit einer lichtsensibilisierenden Creme (Metvix® Cr., Ameluz® Gel) vorbehandelt, die selektiv von den Präkanzerosen resorbiert wird. In Kombination mit Rotlichtbestrahlung beim Dermatologen oder durch einen zweistündigen Aufenthalt im Freien als sogenannte «Daylight PDT» kommt es zur Zerstörung der veränderten Zellen. Aktinische Keratosen können auch chirurgisch, strahlentherapeutisch, mittels Kürettage oder Lasertherapie entfernt werden. Die Auswahl der Methode ist abhängig von Grösse und Lokalisation des Hautareals. Der Nachteil nahezu aller dieser Behandlungen ist, dass sie meist zu starken Lokalreaktionen wie Rötung, Schuppung, Juckreiz und Krustenbildung führen können. Für die Compliance ist es daher unerlässlich, gemeinsam mit dem Patienten, die für ihn geeignete Therapie herauszufinden, sodass die Anwendungsform und mögliche Nebenwirkungen mitgetragen werden.

Ratgeberin: Dr. med. Anja Wysocki
Quelle: Schweizer Zeitschrift für Onkologie vom 21.02.2019

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