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Auf der Nachtschicht im dritten Stock

Willisauer Bote - Was geschieht eigentlich am LUKS Wolhusen in der Nacht, wenn das pulsierende Leben zur Ruhe kommt?
20. Mai 2019
Lesezeit: 8 Minuten
standort wolhusen drohne

Das Luzerner Kantonsspital Wolhusen stellt eine erweiterte Grundversorgung der Bevölkerung in der Region sicher. 2018 zählte es rund 5000 stationäre Fälle bei 107 Planbetten und ca. 54 000 ambulante Patientenkontakte. Rund 700 Mitarbeitende teilen sich rund 400 Vollzeitstellen. Am Tag herrscht ein reges Kommen und Gehen: Notfälle, Sprechstunden, Operationen, Therapien, Krankenbesuche usw. Doch was geschieht eigentlich hier in der Nacht, wenn das pulsierende Leben zur Ruhe kommt?

Der aufkommende Westwind deutet einen Wetterwechsel an. Erste Regentropfen fallen und der Haupteingang des Spitals ist hell erleuchtet. Ein rotes Notfalltelefon hängt an der Wand. Es ist 21.55 Uhr und allerlei Gedanken kreisen mir durch den Kopf: «Was werde ich in dieser Nacht erleben? Finden die kranken, verletzten und betagten Menschen den Schlaf? Wie anspruchsvoll und vielseitig ist die Nachtarbeit im Spital?» Ich melde mich bei der Person am Haupteingang, wie mit der Departementsleitung besprochen, und erhalte den Zutritt zur Pflegeabteilung auf dem 3. Stock.

22 Uhr: Gerade findet der Übergaberapport von der Spät- auf die Nachtschicht im Stationszimmer der Privatabteilung mit zehn Betten statt. Auch die gleich angrenzende Reha-Abteilung mit elf Betten ist ebenfalls bis auf einen Platz ausgelastet. Zu bestimmten Zeiten wie jetzt findet mit den diensthabenden Pflegepersonen auf dieser Abteilung ein Rapport statt. Besonderheiten von und um Patienten, Vorkehrungen und Massnahmen, Notfallszenarien und Pflegeabläufe werden laufend dokumentiert und rapportiert. Die Stimmen sind ruhig, leise und zuversichtlich. Die fünf Mitarbeitenden bilden ein fachlich kompetentes Team, das ist zu spüren. Ein guter Teamgeist, Hilfsbereitschaft, Flexibilität, eine hohe Fachkompetenz, rasche Auffassungsgabe und Entschlusskraft sind Fähigkeiten, die es mitunter braucht, um den Spitalalltag und besonders jetzt dann die Nachtschicht zu meistern, wenn die vier Pflegenden der Spätschicht, die seit 14 Uhr im Einsatz sind, ihren Dienst beenden. In den Patientendossiers sind viele Informationen wie Zustand und Befindlichkeit des Patienten, Medikamentenabgaben, Sauerstoffversorgung, Lagerungen usw. für die Nacht festgehalten.

22.45 Uhr: Der detaillierte Rapport ist zu Ende und bald ist Prisca Meyer, die erfahrene Pflegefachfrau HF, in dieser Nacht alleine als diplomierte Fachfrau für den 3. Stock zuständig. Unterstützt wird sie durch Michaela Felder, Pflegefachfrau HF in Ausbildung, «Springerin» genannt, da sie auf dem 2. und 3. Stock hilft. Immer wieder sind rote Buchstaben und Zahlen auf der digitalen rechteckigen Anzeige im Stationszimmer zu sehen. Ein Piepston gehört dazu und die Pflegenden nehmen reflexartig davon Notiz, wenn ein R wie Ruf von Patienten oder B wie Bettrandalarm und die Zimmernummer erscheinen und eilen vor Ort. Da ein aufmunterndes Wort, dort ein Schmerzmittel oder eine neue Lagerung bis der Schlaf doch noch gefunden wird. Eine Nacht im Spital, nicht im trauten Zuhause, fern der Lieben ist für viele Patienten ungewohnt, herausfordernd und auch belastend. Vor allem dann, wenn allerlei Gedanken mit Sorgen und Schicksalen kreisen und der Uhrzeiger nur langsam vorrückt.

Die Spätschicht verabschiedet sich freundschaftlich um 23.20 Uhr. Ein hohes Pflichtbewusstsein ist bei der Übergabe zu spüren, so auch bei Delijaj Shkembim, Fachmann Gesundheit EFZ im 2. Lehrjahr, der hier die Teamarbeit und die Vielfältigkeit der Arbeit sehr schätzt und nun zufrieden vom heutigen Tag bald im nahen Zuhause den verdienten Schlaf finden wird.

23.44 Uhr: Im Gang spiegelt sich das Deckenlicht auf dem Boden. Kurz vor Mitternacht leuchtet erneut ein Rufsignal auf: Ein Patient leidet an starken Schmerzen und Prisca Meyer ist schnell, mit leisen Schritten mitfühlend vor Ort. Im Stationszimmer holt sie darauf aus dem gut gesicherten Medikamentenschrank die in den Patientenunterlagen vermerkte Morphindosis, die für drei bis vier Stunden wirken wird. Auch Michaela Felder ist abwechselnd auf den zwei Stockwerken unterwegs.

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Prisca Meyer - die Pflegeexpertin - ist während der Nachschicht für den 3. Stock verantwortlich

Nach und nach kehrt Ruhe ein. Es ist 00.15 Uhr. Im Stationszimmer wacht der kleine gestrickte Schutzengel des Teams vom 3. Stock, der schmunzelnd an einem Wollfaden an der Decke hängt. Kurze Zeit, um mit Prisca Meyer über ihre Arbeit zu sprechen. Seit 29 Jahren ist sie am LUKS Wolhusen tätig. Momentan mit einem 50-Prozent-Pensum und mit ein bis zwei Nachtwachen pro Monat, die sie jeweils selbst wie alle anderen Mitarbeitenden im Voraus im Stationsplan eintragen kann.

«Es ist eine Herausforderung, die Verantwortung in der Nacht über die ganze Abteilung zu tragen. Vorgestern hatte ich Spätschicht und so kenne ich die meisten Patientinnen und Patienten und ihre Krankheits- und Unfallgeschichten. Ganz wichtig ist, dass man rasch erkennt, wenn sich ein Gesundheitszustand negativ verändert und man sofort handelt. Unterstützung ist jederzeit da, sei es die <Springerin>, die Pflegefachfrau auf dem 2. Stock, der Arztdienst in der Notfallaufnahme oder auf Pikett die Fachärzte», erklärt Prisca Meyer mit mütterlicher Stimme. Und spielen die Wetterverhältnisse tatsächlich auch eine Rolle? «Ganz klar», bestätigt die Menznauerin, «bei Vollmond sind die Patienten unruhiger und in heissen Sommernächten fehlt es ihnen nicht nur am Schlaf, sondern ist ihr Schmerzempfinden ausgeprägter.» Auf mein Bitten nimmt Prisca Meyer noch einen Anruf in die Gebärabteilung im achten Stock vor. Es wäre ja so erfreulich, wenn in dieser Nacht ein Kind das Licht der Welt erblicken würde. Doch vorerst ist nur abwarten angesagt ...

1.10 Uhr: Die Pflegefachfrau und die «Springerin» sitzen im Stationszimmer je an einem Computer mit grossem Bildschirm. Wie so oft in dieser Nacht müssen sie ihre Pflegeleistungen und Beobachtungen in die Patientendokumentation, auch für die Versicherer, eintragen. Doch bereits leuchtet wieder eine rote Zimmernummer auf: Der Sensor beim Bettrand einer Patientin schlägt Alarm. Zielstrebig begibt sich Prisca Meyer aufs angezeigte Zimmer, tröstet die Patientin, die nach vier Spitaltagen mit ihrem Schicksal hadert, bringt darauf einen Tee vorbei, spricht ihr zu und deckt sie im Bett wieder fürsorglich zu. Ein Spital: Ort des Werdens und des Vergehens, der Hoffnung und der Schicksalsschläge. Ein Ort, wo Menschen sich für Menschen einsetzen und das ist auch in dieser Nacht stark spürbar. Dankbarkeit kommt auf für die grosse Hilfsbereitschaft und die Menschlichkeit. Jeder von uns weiss ja nie, wann und wie er diese Hilfe einmal brauchen kann.

1.20 Uhr: Draussen verlässt das Fahrzeug des Rettungsdienstes das Spital. Die Assistenzärztin in der Notfallaufnahme ist schon so beschäftigt, dass sie nicht die Zeit hat, auf den einzelnen Abteilungen eine Runde zu drehen. Und für mich ist es ein spezielles Gefühl, durch den langen Gang im 3. Stock zu gehen. Vorbei an all den Türen, wo dahinter kranke, verletzte und betagte Menschen schlafen, dösen oder unruhig die Nachtstunden hinter sich bringen. Und im Stationszimmer werden jetzt, da alles ruhig ist, all die Medikamentenblister, unterteilte Sichtverpackungen in Kunstoffschalen, von den beiden Frauen für den kommenden Tag abgefüllt.

Die Pflegefachperson und die «Springerin» werfen nach 2 Uhr in jedes der Patientenzimmer auf dem 3. Stock einen kurzen, prüfenden Blick. Die Nachtruhe greift nun wirklich um sich. Die Pflegefachfrau aus dem 2. Stock kommt zu einer kleinen Essenspause ins Stationszimmer. Apfelstücke, Brotscheiben, Getreideriegel, ein Stück Schokolade und ein feiner Kaffee oder Tee helfen, den eigenen Energiehaushalt auf Trab zu halten. Anregend das kurze Gespräch über Gott und Welt und über die Patienten, die nachts fast zu oft klingeln und solche, die sich kaum getrauen, obwohl es nötig wäre. Und bereits leuchtet die Zimmernummer eines frisch Operierten auf. Erneut gilt es die Hände, wie oft in dieser Nacht, zu desinfizieren und in den zweiten Stock zu eilen. Auf dem dritten Stock kämpft eine Patientin mit ihren Phantomschmerzen, die sie seit der Unterschenkelamputation hat und wird sofort fürsorglich betreut.

«Zwischen 3 und 4 Uhr beginnt für mich die anspruchsvollste Zeit in der Nacht,» erklärt Prisca Meyer. «Zwangsläufig wird man bei der Nachtarbeit müder und auch jetzt muss die Konzentration hoch sein, denke man nur an die Medikamentenabgaben und Infusionen.»

 

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Der kleine Schutzengel wacht im Stationszimmer
Die Pflegeexpertin - Prisca Meyer - kommt von einem der Rundgänge zurück.
Michaela Felder - Pflegefachfrau HF - hält die ganze Nacht als Springerin auf Trab.
Der kleine Schutzengel wacht im Stationszimmer
Die Pflegeexpertin - Prisca Meyer - kommt von einem der Rundgänge zurück.
Michaela Felder - Pflegefachfrau HF - hält die ganze Nacht als Springerin auf Trab.
Der kleine Schutzengel wacht im Stationszimmer
Die Pflegeexpertin - Prisca Meyer - kommt von einem der Rundgänge zurück.
Michaela Felder - Pflegefachfrau HF - hält die ganze Nacht als Springerin auf Trab.

4 Uhr: Viel Arbeit wartet auf die Pflegenden: Vitalwerte wie Blutdruck, Puls, Temperatur bei den Patienten überprüfen, Schmerzpumpen kontrollieren, Dauerkatheter leeren, Wunddrainage überprüfen usw. und immer alle ermittelten Daten festhalten. Die Minuten, ja Viertelstunden verrinnen nur so.

Die Nacht kommt voran, es ist 4.43 Uhr: Bei einer Patientin müssen die Betteinlagen gewechselt werden. Der Frau ist es wind und weh, die Pflegenden erneut aufbieten zu müssen, doch die geschätzte Hilfsbereitschaft zu spüren, beruhigt sie schnell. Menschen für Menschen, einfach berührend.

5.40 Uhr: Die Assistenzärztin Melanie Mächler hat kurz Zeit, auf die vergangene Nacht zurückzublicken. In einer Rotation, die drei bis vier Wochen dauert, arbeitet sie jeweils sieben Nächte am Stück. «Heute, in der dritten Nacht, hatte ich zwei ambulante und drei stationäre Notfälle vor allem mit Atemweginfekten und Grippesymptomen zu behandeln. Im Vergleich aber zu einem Wochenende war es recht ruhig», sagt die umsichtige junge Ärztin mit einem Lächeln im Gesicht.

Vermehrt streifen draussen um 6.15 Uhr Autoscheinwerfer den Spitalmauern entlang. Der Tag beginnt definitiv zu erwachen. Die bereitgestellte, verunreinigte Spitalwäsche wird auf dem Stock abgeholt. Alle PC werden aufgestartet, das Stationszimmer ist gelüftet und nach und nach treffen die Mitarbeiterinnen der Tagesschicht ein. Für Prisca Meyer und Michaela Felder endet bald eine intensive und anspruchsvolle Nachtschicht. Ihren Gesichtern ist eine tiefe Zufriedenheit anzusehen.

6.30 Uhr: Im Stationszimmer des 3. Stocks sind viele angeregte Stimmen zu vernehmen. Zum Zweierteam der Nacht sind nun weitere neun Mitarbeitende der Tagesschicht dazugestossen. Das Aktenstudium wird vorgenommen und die Übergabe mit den wichtigsten Patientenfakten läuft, bis die Nachtschicht sich definitiv mit den besten Wünschen an das neue Team verabschiedet. Andrea Suppiger, Abteilungsleiterin des Rehazentrums auf diesem Stock, schätzt es besonders, dass alle Pflegenden Nachtdienst leisten und somit die Erfahrungen wachsen und dem Teamslogan «Wir, ein Team!» bestens nachgelebt werden kann. «So werden die Selbstständigkeit, die Flexibilität, das Fachwissen und die Teamkultur verstärkt», fügt Andrea Suppiger erfreut bei.

Eindrücklich, solch eine Nachtschicht! Der Leitung und den Mitarbeitenden des LUKS Wolhusen gehören ein grosser Dank und Anerkennung für ihren Einsatz und dass solch eine Reportage realisiert werden durfte. - Und ... in dieser Nacht fand leider oben im 8. Stock kein Storchenflug statt.

 

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Melanie Mächler - Assistenzärztin - hat kurz Zeit auf die vergangene Nacht zurückzublicken.
Andrea Suppiger - Abteilungsleiterin Rehazentrum - darf stolz auf ihr Team des 3. Stocks sein.
Melanie Mächler - Assistenzärztin - hat kurz Zeit auf die vergangene Nacht zurückzublicken.
Andrea Suppiger - Abteilungsleiterin Rehazentrum - darf stolz auf ihr Team des 3. Stocks sein.
Melanie Mächler - Assistenzärztin - hat kurz Zeit auf die vergangene Nacht zurückzublicken.
Andrea Suppiger - Abteilungsleiterin Rehazentrum - darf stolz auf ihr Team des 3. Stocks sein.

Autor: René Fuchs
Quelle: Willisauer Bote vom 02.04.2019

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