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Bronchialkarzinom - Neue Ansätze in der Therapie

12. November 2019
Lesezeit: 12 Minuten
Forschung und Lehre Joachim Diebold

Die Bronchialkarzinomdiagnostik und -therapie ist ein sich rasch wandelndes Gebiet und aufgrund der weltweit hohen Inzidenz und Mortalität dieser Tumorerkrankungen von erheblichem klinischem Interesse. Der rasche Wissenszuwachs in der Molekularbiologie und Immunologie und die Fortschritte in der Molekulardiagnostik sind treibende Faktoren der Entwicklung einer personalisierten Tumorbehandlung («precision medicine»). Diese Entwicklung ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen. In diesem Artikel fokussieren wir auf aktuelle Neuerungen bei der Behandlung von Bronchialkarzinomen mit Schwerpunkt auf der Systemtherapie fortgeschrittener Tumorstadien in der ersten Therapielinie. Es handelt sich um Behandlungsansätze, wie wir Sie aktuell an unserer Institution verfolgen. Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Gültigkeit. 

Grundlagen

Bronchialkarzinome wiesen 2018 - gleichauf mit Brusttumorerkrankungen - weltweit die höchste Inzidenz (11,6%) und die höchste Mortalität (18,4%) aller Tumorerkrankungen auf [1]. Im Zeitraum 2011 bis 2015 standen in der Schweiz die Bronchialkarzinome bezüglich Inzidenz an dritter Stelle (ca. 4300 Neuerkrankungen pro Jahr), und an erster Stelle der krebsbedingten Todesursachen [2]. Die relative 5-JahresÜberlebensrate für Lungenkrebs in der Schweiz lag für Männer bei 15% respektive 19% bei Frauen [3]. Tabakrauchen ist fortgesetzt die Hauptursache von Lungenkrebs [4]. Ungefähr 20% der Bronchialkarzinome treten bei «Nie-Rauchern» (<100 Zigaretten gesamt) auf. Ursächlich hierfür steht die Exposition gegenüber inhalativen Noxen (z.B. Radon, Asbest, Teerdampf) im Vordergrund [5].

Kleinzelliges Lungenkarzinom

In 10-15% der neudiagnostizierten Bronchialkarzinome handelt es sich um kleinzellige Bronchialkarzinome (Small Cell Lung Cancer, SCLC). Therapeutisch relevant ist die Unterscheidung zwischen limitiertem Erkrankungsstadium (limited disease LD, Stadium I-III und fortgeschrittenem Erkrankungsstadium (extensive disease ED, Stadium IV). Letzteres ist aufgrund der aggressiven Tumorbiologie viel häufiger. Das mediane Gesamtüberleben (Overall-Survival, OS) beträgt für das LD-SCLC 15-20 Monate, für das ED-SCLC 8-13 Monate [6]. Die meisten SCLC weisen inaktivierende Mutationen der Tumor-Suppressorgene TP53 und RB1 auf, während «behandelbare» Mutationen von Rezeptor-Tyrosin-Kinasen meist fehlen (im Unterschied zu Nicht-Kleinzelligen Lungenkarzinomen, NSCLC). Die aktuellen stadienabhängigen Therapiestandards lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Stadium I: Zusätzlich zur Operation bringt eine adjuvante Platin-basierte Chemotherapie im Stadium I einen OS-Vorteil (66,0 versus. 42,1 Monate) [7].

Stadium II, III: Operation plus Chemotherapie ist im Stadium II eine Option, alternativ kann auf die Operation verzichtet und eine definitive Radio-Chemotherapie durchgeführt werden. Diese ist auch im Stadium III Therapie der Wahl und sollte - wenn möglich - simultan erfolgen [8,9].

Stadium IV: Eine palliative Systemtherapie ist bei EDSCLC die Therapie der Wahl. Trotz initial sehr gutem Therapieansprechen liegt das mediane Gesamtüberleben bei lediglich 10 Monaten. Standardprotokolle sind Cisplatin und Etoposid oder Carboplatin und Etoposid [10]. Die Protokolle unterscheiden sich vor allem bezüglich Nebenwirkungen, weniger bezüglich Tumorwirkung [11]. Die Bestrahlung von thorakalem Resttumor ist kein Standard, aber eine individuelle Option bei sehr gutem Therapieansprechen auf die Chemotherapie sowie kompletter Remission extrathorakaler Metastasen [12]. Atezolizumab, ein «Programmed Death Ligand 1» (PD-L1) - Inhibitor (Immuncheckpoint-Inhibitor, ICI), kombiniert mit Chemotherapie und folgend als Erhaltungstherapie eingesetzt, bringt in erster Therapielinie einen Überlebensvorteil verglichen mit alleiniger Chemotherapie (12,3 vs. 10,3 Monate, HR 0,7, 95% CI 0,54-0,91), wie in der Phase III Studie IMpower133 nachgewiesen [13]. Auch die Phase III Studie CASPIAN mit Durvalumab und Chemotherapie fiel positiv aus, wie der Hersteller kürzlich meldete [14]. Somit gibt es bei ED-SCLC jetzt zwei neue Ansätze für die kombinierte Chemo-Immuntherapie, vorausgesetzt, dass die Präparate von den Arzneimittelbehörden für diese Indikation noch zugelassen werden. Die prophylaktische Ganzhirnbestrahlung (Prophylactic Cranial Iradiation, PCI) gilt zwar in vielen Richtlinien im Stadium II-IV nach gutem Ansprechen auf die Chemotherapie als «Standard» [15,16]. Eine japanische Studie stellt diesen Standard aber in Frage, da Sie für die PCI, verglichen mit alleinigen magnetresonanztomografischen Kontrollen des Schädels, keinen Überlebensvorteil zeigte [17]. Diese Daten scheinen im klinischen Alltag bereits zu einer teilweisen Abkehr vom bisherigen Standard zu führen [18]. Der Einfluss der Immuntherapie auf die Indikationsstellung der PCI ist noch unklar. Viele Patienten mit SCLC erleiden innerhalb von 6 -12 Monaten ein Rezidiv oder eine Progression. Der Grund hierfür ist wahrscheinlich das Vorhandensein von Cisplatin-resistenten «Krebs-Stammzellen» [19]. Die weitere Behandlung richtet sich nach dem Zustand des Patienten, dem Ausmass des Tumorrezidivs, der vorgängigen Therapie und dem behandlungsfreien Intervall [15-17]. Liegt eine therapierefraktäre Situation oder ein platinresistentes Rezidiv vor, ist Topotecan der alleinigen Supportivbehandlung überlegen [20] und in Bezug auf die Gesamtansprechrate (Overall-Response-Rate, ORR), progressionsfreiem Überleben (Progression-Free-Survival, PFS), und OS einer Mehrfachtherapie (Cyclophosphamid, Doxorubicin und Vincristin) gleichwertig, bei aber besserer Verträglichkeit [21]. Intravenös und peroral verabreichtes Topotecan ist bezüglich Wirksamkeit und Verträglichkeit etwa äquivalent [22]. Patienten in gutem Allgemeinzustand (ECOG 0-2) mit einem «platinsensiblen Rezidiv» können erneut mit Cisplatin /Carboplatin und Etoposid behandelt werden [23]. Der Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren nach Versagen von Chemotherapie ist unserer Meinung nach heute (noch) kein Standard. Die besten Daten gibt es bisher für Pembrolizumab (bei PDL1- positiven Tumoren) [24] sowie für Nivolumab [25].

Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom

Das Nicht-kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC, ca. 85-90% aller Bronchialkarzinome) ist ein klinischer Sammelbegriff für Adenokarzinome (50-60%), Plattenepithelkarzinome (20-25%), Grosszellige Karzinome, Adenosquamöses Karzinome, Neuroendokrine Karzinome (hiervon ausgenommen das Kleinzellige Lungenkarzinom) und Sarkomatoide Karzinome.

Stadium I/II: Therapie der Wahl im Stadium I und II ist die radikale Operation nach onkologischem Standard (in der Regel eine Lobektomie mit systematischer mediastinaler Lymphknotendissektion). Ab einem Tumordurchmesser von 4 cm ist eine adjuvante Chemotherapie mit 4 Zyklen einer Platin-haltigen Kombination indiziert. Liegen Kontraindikation für ein chirurgisches Vorgehen vor, stellt die stereotaktische Bestrahlung eine Alternative dar.

Stadium III: : Für resezierbare Tumoren im Stadium III ist zusätzlich zur Chirurgie eine Chemotherapie indiziert. Diese kann vor (neoadjvuant) oder nach (adjuvant) der Operation erfolgen. Der Nutzen einer zusätzlichen Radiotherapie («trimodale Therapie») ist kontrovers. Die Schweizer Phase III-Studie SAKK16 / 00 fiel bezüglich der präoperativen Bestrahlung negativ aus [26]. Die postoperative Radiotherapie (PORT) zeigte in einer retrospektiven Metaanalyse keinen klaren Nutzen [27], die Daten der randomisierten Studie LungART stehen noch aus. Unresezierbare NSCLC im Stadium III werden radio-chemotherapiert und anschliessend mit einer einjährigen Immuntherapie mit dem PD-L1 Antikörper Durvalumab «konsolidierend» nachbehandelt. Grundlage ist die prospektive randomisierte Phase III Studie PACIFIC [28, 29]. In der Studie lag die 2-Jahres-Überlebensrate unter Durvalumab bei 66,3%, mit Placebo bei 55,6% (HR 0,68, 99,73% CI 0,47-0,997, p=0,0025). Das mediane PFS wurde mit Durvalumab, verglichen zu Placebo, signifikant verlängert (17,2 versus 5,6 Monate, HR 0,51, 95% CI 0,41-0,63, p<0,001). Die Konsolidierung mit Durvalumab gilt deshalb heute als Standard. 

Stadium IV: Abgesehen von sogenannt «oligometastasierten» Stadien, wo Chirurgie und Radiotherapie in kurativer Intention eingesetzt werden können, werden die meisten NSCLC im Stadium IV in palliativer Intention rein medikamentös behandelt. Man unterscheidet Chemotherapie, zielgerichtete Therapie und Immuntherapie. Die Wahl der Therapie hängt vom histologischen Subtyp, dem Vorliegen von Treibermutationen (bei nichtsquamösen Tumoren) und der PD-L1 Expression des Tumors ab. Die molekularpathologische Aufarbeitung ist Grundlage für eine optimale Therapie. Liegen keine behandelbaren «Treibermutationen» vor, richtet sich die Behandlung in erster Linie nach dem PD-L1 -Expresssionsstatus. Für NSCLC (unabhängig vom histologischen Subtyp) mit einer PD-L1 Expression von >50% ist die Behandlung mit dem PD-L1 Inhibitor Pembrolizumab gemäss KEYNOTE 024 Studie einer konventionellen Chemotherapie hinsichtlich OS und PFS überlegen [30]. Für Adenokarzinome der Lunge mit einer PD-L1 Expression von <50% ist analog der KEYNOTE 189 Studie eine Kombination von Chemotherapie und Pembrolizumab einer alleinigen Chemotherapie vorzuziehen [31]. Die Therapieansprechrate lag in der Studie mit Zugabe von Pembrolizumab bei 48%, ohne Pembrolizumab bei 19%. Die 12-Monate-Überlebensrate betrug für Pembrolizumab + Chemotherapie 69%, für die Gruppe mit alleiniger Chemotherapie 49%. Eine Alternative stellt der PD-L1 Antikörper Atezolizumab in Kombination mit Carboplatin, Paclitaxel und Bevacizumab dar, basierend auf den Resultaten der IMpower130 und -150 Studien [32,33]. Für Plattenepithelkarzinome mit einer PD-L1 Expression von <50% geht gemäss KEYNOTE 407 Studie eine Kombination von Pembrolizumab mit Chemotherapie mit einem OS- und PFS-Vorteil einher [34]. Wurde in erster Therapielinie kein Immuncheckpoint-Inhibitor eingesetzt, ist deren Einsatz in zweiter Linie indiziert. Der Einsatz von Nivolumab geht, unabhängig der PD-L1 Expression auf den Tumorzellen, mit einem statistisch signifikanten ORR-, OS- und PFS-Vorteil einher, verglichen zu Docetaxel [35]. Die Zweitlinienbehandlung mit Atezolizumab wurde gegen Docetaxel verglichen, unabhängig von der NSCLC-Histologie fand sich ein OS-Vorteil zugunsten Atezolizumab [36,37]. Pembrolizumab wurde für Tumoren mit einer PD-L1 Expression von mindestens 1% untersucht, wobei sich ein signifikanter OS -Vorteil gegen Docetaxel zeigte [38]. Die Behandlung mit Immuncheckpoint-Inhibitoren sollte solange erfolgen wie ein Ansprechen nachgewiesen wird, respektive solange der Patient die Behandlung ohne Auftreten von schweren Nebenwirkungen toleriert.

Treibermutationen: In einer erheblichen Anzahl der NSCLC findet sich eine Mutation eines Protoonkogens zu einem Onkogen, welche für eine aktivierende Rezeptor-Tyrosin-Kinase (RTK) codiert. Diese Mutation bewirkt eine gesteigerte Zellproliferation, Apoptoseresistenz, Angiogenese und Metastasierung. Solche Mutationen werden Treibermutationen genannt. Es handelt sich in der Regel um somatische Mutationen und nicht um Keimbahnmutationen [39]. Diese Erkennrnisse fürhten zur Entwicklung von oralen Tyrosin-Kinase-Inhibitoren (TKI), deren Wirkung auf einer mehr oder weniger selektiven Hemmung des entsprechenden Signaltransduktionswegs beruht. Der Vortestwahrscheinlichkeit Rechnung tragend, ist die Testung auf das Vorliegen von Mutationen aktuell für nichtsquamöse NSCLC im Stadium IV obligat, nicht aber für Plattenepithelkarzinome und SCLC. Aus Zeitgründen testen wir an unserer Institution in zwei Schritten. Der erste Schritt beinhaltet Schnelltests für EGFR, ALK, ROS1, KRAS und BRAF. Falls negativ testen wir in einem zweiten Schritt HER2, MET, RET, NTRK1-3 und weitere Marker. Folgend gehen wir auf die gezielte Behandlung von NSCLC Stadium IV mit klassischen Treibermutationen ein.

EGFR: Aktivierende Mutationen des Protoonkogens «epidermal growth factor receptor» (EGFR) finden sich in Mitteleuropa bei 13-15% der pulmonalen Adenokarzinome, gehäuft bei Nichtrauchern (Prävalenz je nach Studie über 50%) [40]. In etwa 90% der Fälle handelt es sich entweder um eine Exon 19 Deletion oder eine Exon 21 L858R Punktmutation [41]. Standardtherapie in erster Linie ist ein EGFR-TKI. Diese Therapie geht, verglichen mit Platin-basierter Chemotherapie, mit einem statistisch signifikanten PFS-Vorteil einher [42]. Verfügbare TKIs sind Gefitinib und Erlotinib (erste Generation), Afatinib und Dacomtinib (zweite Generation) sowie Osimertinib (dritte Generation). Unter EGFR-TKI der ersten Generation tritt im Durchschnitt nach 10-14 Monaten eine Therapieresistenz auf, in 50-60% der Fälle bedingt durch eine zweite EGFR Mutation (T790M) [43]. Osimertinib, ein TKI mit guter ZNS-Verfügbarkeit und Wirksamkeit bei Vorliegen einer EGFR T790M-Mutation, wurde im Rahmen der FLAURAStudie gegen Gefitinib und Erlotinib untersucht. Die 2017 publizierten Daten wiesen einen statistisch signifikanten PFS-Vorteil zugunsten von Osimertinib nach (18,9 Monate mit Osimertinib versus 10,2 Monate mit Gefitinib respektive Erlotinib, (HR 0.46; 95% CI 0,37-0,57; p<0,001) [44]. Für Osimertinib wurde eine bessere Wirksamkeit gegen Hirnmetastasen und eine bessere Verträglichkeit nachgewiesen. Die neusten Daten der FLAURA-Studie, die im September am ESMO Jahreskongress 2019 präsentiert werden. weisen erstmals einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil von Osimertinib nach [45]. Damit wird sich Osimertinib für alle Patienten mit EGFR-mutiertem NSCLC definitiv als Erstlininentherapie etablieren, unabhängig von T790M oder Hirnmetastasen. Die Kombination eines EGFR-TKI mit Chemotherapie in erster Linie bei EGFR-mutiertem NSCLC gilt derzeit nicht als Standard, wurde aber in mehreren Studien untersucht. In der japanischen Phase III Studie NEJ009 wurde Gefitinib mit Gefitinib + Chemotherapie (Carboplatin und Pemetrexed) verglichen, wobei sich ein statistisch signifikanter PFS-Vorteil (21 vs. 11 Monate; HR 0,49, 95% CI 0,39-0,63) und OS-Vorteil (52 vs. 39 Monate; HR 0,70, 95% CI 0,52-0,93) zeigte, einhergehend aber mit einer höheren Rate an Grad 3 Toxizität (65% vs. 31%) [46]. Weitere Studien (mit Erlotinib und Gefitinib) bestätigen diese Ergebnisse. Die Kombination des EGFR-TKI Erlotinib mit dem VEGFR Antikörper Bevacizumab brachte im Vergleich mit einer Erlotinib - Monotherapie einen PFS-, nicht aber für OS-Vorteil [47].

ALK: Translokationen des anaplastischen Lymphom Kinase (ALK) Proto-Onkogens finden sich bei 3-5% der pulmonalen Adenokarzinome [48], wiederum gehäuft bei Nichtrauchern [49]. Verfügbare ALK-TKI sind Crizotinib, Ceritinib, Alectinib, Brigatinib und Lorlatininb. Substanz der Wahl in erster Therapielinie ist Alectinib, wegen der guten ZNS-Gängigkeit und der Überlegenheit zu Crizotinib in der ALEX Studie [50,51]. Die Wahl der ALK-TKI in weiteren Linien richtet sich insbesondere nach Verfügbarkeit, Hirnbefall und Resistenzmutationen [52].

ROS1: Translokationen des ROS-Proto-Oncogens 1 (ROS1) finden sich in 1-2% der pulmonalen Adenokarzinome, auch hier gehäuft bei Nichtrauchern. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit der ALKund ROS1-Kinasen sind viele ALK Inhibitoren ausser Alectinib auch für die Hemmung von ROS1 geeignet. Die Behandlung von ROS1 mutierten Lungentumoren mit Crizotinib ist die Therapie der Wahl [53]. Lorlatinib zeigte in einer Phase II Studie eine sehr gute Wirksamkeit, vor allem bei Resistenz auf Crizotinib [54]. Ceritinib, Entrectinib und Repotrectinib sind weitere potente ROS1 Inhibitoren.

BRAF: BRAF Punktmutation finden sich bei 1-2% der pulmonalen Adenokarzinome sowohl bei Rauchern als auch bei Nichtrauchern. In etwa zwei Drittel der Fälle liegt eine typische, behandelbare V600E Mutation vor. Hier ist eine Kombinationsbehandlung mit Dabrafenib und Trametinib Therapie der Wahl, sowohl bei Therapie-naiven als auch vorbehandelten Patienten [55,56]. NSCLC mit BRAF V600E sprechen jedoch auch auf Chemo- und Immuntherapie an. Bei anderen BRAF Mutationen als V600E ist eine gezielte Therapie ausserhalb von Studien derzeit nicht empfohlen.

KRAS: Liegt eine aktivierende Mutation des ProtoOnkogens Kirsten ras (KRAS) vor, galten diese NSCLC bislang nicht als gezielt behandelbar und wurden einer Chemo-Immuntherapie zugeführt. Getestet wurde KRAS trotzdem, weil ein positives Resultat die Suche nach weiteren Treibermutationen überflüssig machte. 2019 wurden erste Resultate aus einer klinischen Studie mit dem spezifischen KRAS G12C Inhibitor AMG510 berichtet [57]. Diese Resultate sind sehr ermutigend und Folgestudien werden jetzt an vielen Zentren für die Rekrutierung einer grossen Patientenzahl eröffnet. Weitere KRAS Inhibitoren befinden sich ebenfalls in Entwicklung.

RET: «Rearranged during transfection» (RET) Translokationen werden bei etwa 1-2% der pulmonalen Adenokarzinome gefunden. Wenig selektive TKI wie Cabozantinib zeigten zwar eine gewisse Wirkung, wenn auch zeitlich sehr limitiert [58]. Hochselektive RET-Inhibitoren wie LOXO -292 und BLU-667 bedeuten deshalb einen grossen Fortschritt in der Behandlung von RET-mutierten Lungentumoren an. LOXO -292 wird in der LIBRETTO-001 Studie (NCT03157128) untersucht. Erste Resultate zeigten eine Ansprechrate von 65%, bei sehr guter Verträglichkeit [59]. Neue Daten werden am Jahreskongress der IASLC im September 2019 präsentiert. Teilnehmende Zentren sind unter anderem Luzern (CH) und Köln (DE). Der RET-Inhibitor BLU-667 wird in der ARROW Studie (NCT03037385) untersucht. Die preliminäre Ansprechrate betrug 56% [60]. Teilnehmendes Zentrum ist unter anderem Heidelberg (DE).

NTRK: Fusionen eines der Proto-Onkogene «neurotrophic receptor thyrosin kinase 1-3» (NTRK 1-3) finden sich bei 1% der NSCLC. Der TRK Inhibitor Larotrectinib (LOX0-101) zeigte bisher in Phase I-II Studien eine ORR von 75% bei andauerndem Ansprechen und sehr guter Verträglichkeit [61]. Bisher zugelassen in den USA, steht die Zulassung für Europa und die Schweiz noch aus. Entrectinib (RXDX-101), ein weiterer TRK-Inhibitor zeigte bei soliden Tumoren mit nachgewiesener NTRK-Fusion in der kombinierten Analyse dreier Phase I-II Studien eine ORR von 57% bei ebenfalls sehr guter Verträglichkeit [62].

Konklusion

Die gegenwärtige Entwicklung in den Bereichen Immuntherapie und gezielte Therapie zeigt, dass das Potenzial dieser Ansätze beim Bronchialkarzinom bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Der Nutzen dieser Therapien in der Palliation ist unumstritten und in der adjuvanten Situation laufen ebenfalls klinische Studien. Unabhängig davon müssen auch in den Bereichen Prävention und Früherkennung vermehrte Anstrengungen unternommen werden, damit ein Rückgang der Bronchialkarzinome (insbesondere der metastasierten Stadien) erreicht werden kann.

TAKE-HOME-MESSAGES

  • Bronchialkarzinome sind weltweit die häufigste krebsbedingte Todesursache und Tabakrauchen die Hauptursache.
  • Neuer Behandlungsstandard für das kleinzellige Bronchialkarzinom (SCLC) im Stadium IV ist die Kombination der Chemotherapie (Carboplatin und Etoposid) mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Atezolizumab.
  • Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC) im Stadium III profitieren nach definitiver Radio-/Chemotherapie von einer konsolidierenden Immuntherapie mit Durvalumab.
  • Die Testung von nichtsquamösen NSCLC im fortgeschrittenen Stadium auf das Vorliegen von Treibermutationen (vorab EGFR, ALK, ROS1 und BRAF) und den Grad der PD-L1 - Expression ist wegweisend für die Wahl der Therapie.
  • NSCLC mit behandelbaren Mutationen sind in erster Linie gezielt zu behandeln; die Behandlung von NSCLC ohne Nachweis einer behandelbaren Treibermutation richtet sich in erster Linie nach dem PD-L1 Expressionsstatus

Quelle: Info Onkologie & Hämatologie vom 30.09.2019

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