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Das andere grosse Leiden der Raucher

Luzerner Zeitung: Zunehmende Atemnot und Husten kennzeichnen die Lungenkrankheit COPD. Obwohl sie sehr viele Opfer fordert, vor allem unter Rauchern, ist sie nur den wenigsten bekannt.
30. Mai 2017
Lesezeit: 7 Minuten
«COPD-Patienten kommen häufig viel zu spät zum Arzt, weil sie erste Anzeichen nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen»: Marcus Hesse, Chefarzt Pneumologie am Luzerner Kantonsspital Sursee und Wolhusen. Bild: Nadia Schärli (Sursee, 26. Mai 2017)

Bild: «COPD-Patienten kommen häufig viel zu spät zum Arzt, weil sie erste Anzeichen nicht wahrnehmen oder wahrnehmen wollen»: Marcus Hesse, Chefarzt Pneumologie am Luzerner Kantonsspital Sursee und Wolhusen. Bild: Nadia Schärli (Sursee, 26. Mai 2017)

Die Angst vor Lungenkrebs ist im Hinterkopf von wohl fast allen Raucherinnen und Rauchern latent vorhanden. Aus gutem Grund, denn diese schlimme Diagnose muss in der Schweiz jährlich rund 4000 Mal gestellt werden (60 Prozent Männer, 40 Prozent Frauen). Die allermeisten Betroffenen sind Raucher, auch ehemalige. Lungenkrebs ist zwar nicht die häufigste Krebserkrankung in der Schweiz, aber die tödlichste. Jährlich sterben über 3000 Menschen daran.

Wenig präsent bei Rauchern und überhaupt im Volk ist hingegen eine Lungenkrankheit namens COPD, die ebenfalls grossmehrheitlich Raucher betrifft. Sie kann sich freilich auch durch andere Belastungen entwickeln, so etwa häufige offene Feuer im Haus mit einem schlechten Rauchabzug oder grössere und dauerhafte Luftschadstoffbelastungen am Arbeitsplatz oder an verkehrsreichen Strassen. Massgebend ist zudem eine genetische Veranlagung.

COPD ist die Abkürzung für Chronic Obstructive Pulmonary Disease, zu Deutsch chronisch-obstruktive Lungenerkrankung. Doch selbst mit diesem Begriff wissen nur wenige etwas anzufangen. Tatsache aber ist: Die COPD ist weitaus häufiger als Lungenkrebs, und sie fordert möglicherweise sogar mehr Todesopfer. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber das Bundesamt für Statistik kam bereits vor über zehn Jahren nach einer Auswertung von Todesfallbescheinigungen auf rund 4000 pro Jahr.

Zu erwähnen dabei ist, dass COPDPatienten in fortgeschrittenen Stadien oft multimorbid sind, also von mehreren Krankheiten gleichzeitig betroffen. Eine häufige Begleit- bzw. Folgeerscheinung von COPD ist zum Beispiel eine Herzinsuffizienz (Herzschwäche), weil das Herz mit der zusätzlich notwendigen Pumpleistung auf Dauer überfordert wird. Geringe Belastbarkeit und schlechter Allgemeinzustand sind weitere Folgen. Woran ein Patient letztlich stirbt, lässt sich nicht immer so genau sagen. Aber unter dem Strich zählt, was Marcus Hesse, Chefarzt Pneumologie am Luzerner Kantonsspital Wolhusen und Sursee, sagt: «Die Lebenserwartung bei einer sehr schweren COPD entspricht ungefähr der bei einem bösartigen Tumor.»

Es fehlt an einer guten und verständlichen Bezeichnung

Dass der Name COPD – eine englische Abkürzung medizinischer Begriffe – nicht glücklich gewählt ist, findet auch Hesse. Eine gute und allgemein verständliche Bezeichnung der Erkrankung gebe es leider nicht. Gegenüber Patienten spricht er von chronischer, bronchienverengender Bronchitis. Da und dort ist auch von der «Raucherlunge» die Rede. Dieser Begriff ist im Volksmund zwar verbreitet, doch er hat auch etwas Verharmlosendes an sich.

Marcus Hesse glaubt indes nicht, dass die weit verbreitete Unkenntnis über COPD nur mit dem Namen zu tun hat. In den Medien werde häufig über Volkskrankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf- Probleme, Übergewicht, Diabetes, Gelenkkrankheiten usw. berichtet. «Das liegt wohl daran, dass diese Krankheiten entweder akut sehr gefährlich oder schmerzhaft sind und Laien sich das sehr gut vorstellen können», sagt Hesse. COPD könne zwar auch sehr gefährlich und tödlich sein, sie verlaufe aber meist langsam, trete mit Ausnahmen erst im Alter auf (deutliche Zunahme ab 50, 60 Jahren) und bleibe obendrein nicht selten sehr lange unbemerkt und entsprechend auch unbehandelt.

Hinzu kommt, dass COPD keine einheitliche Erkrankung ist. «Auswurf, Husten und Atemnot – oder kurz: die AHASymptome – sind typische erste AnzeichenfürCOPD »,schreibtdieLungenliga. Doch das stimmt nur bedingt.

Es gibt unterschiedliche COPD-Typen und -Symptome

Husten mit Auswurf, vor allem morgens, sowie langsam, aber stetig zunehmende Atemnot sind zwar schon typisch für COPD – aber nicht bei allen Betroffenen treten diese Symptome gleichzeitig auf, nicht einmal in fortgeschrittenen Stadien. Hesse: «Es gibt viele verschiedene Phänotypen der COPD, zum Beispiel starke Bronchitiker mit viel Auswurf, aber auch die sogenannte trockene COPD praktisch ohne Husten bzw. Bronchitis, aber wegen des gestörten Luftstroms mit Lungenüberblähung (Lungenemphysem), verbunden mit zunehmender Atemnot.»

Raucher haben es so an sich, dass sie gute Verdränger sind. Raucherhusten – nun ja, geschehe nicht Schlimmeres. Luftnot beim Treppensteigen oder schnellen Laufen – nun gut, bin ja auch nicht mehr 20, das ist doch völlig normal. Ein Stück weit stimmt das sogar, aber eben nur zu einem kleinen Teil. Die Lunge wird durch die Schadstoffe, denen sie täglich über Jahre und Jahrzehnte ausgesetzt ist, fortlaufend geschädigt. Aber weil wir im Ruhezustand nur rund 10 Prozent der theoretisch möglichen Gesamtkapazität der Lunge ausschöpfen, kann man auch dann noch ein Leben ohne nennenswerte Einschränkungen führen, wenn von den restlichen 90 Prozent nicht mehr viel vorhanden ist. Körperlichen Anstrengungen geht man – vielleicht unbewusst – aus dem Weg, was einen im Endeffekt noch schwächer und anfälliger macht. Ein Teufelskreis.

Wenn einem allmählich womöglich doch etwas bange ist, vermeidet man einen Arztbesuch trotzdem, weil der einem ja wegen des Rauchens ins Gewissen reden könnte. Vielleicht auch aus Angst vor der Diagnose Lungenkrebs, und dann wäre ja «sowieso alles egal». COPD ist übrigens keine Vorstufe von Lungenkrebs, was aber die Krankheit keineswegs harmloser macht.

Oft ist bei der Diagnose schon sehr viel Lunge zerstört

Das Unheil nimmt seinen Lauf. Viele COPD-Betroffene gehen, wenn überhaupt, erst zum Arzt, wenn der Leidensdruck beträchtlich ist, mit Luftnot bereits nach wenigen Treppenstufen oder wiederholten heftigen Infekten mit Fieber, Husten und eitrigem oder zähschleimigem Auswurf. «Beim ersten Arztbesuch eines Patienten mit COPD müssen wir leider oft feststellen, dass aufgrund der chronisch verengten und entzündeten Bronchien schon sehr viel Lunge zerstört ist», sagt Marcus Hesse.

Das Fatale daran: Man kann der Lunge nicht einen Verband umlegen, und dann ist nach ein paar Wochen alles wieder gut. Die entstandenen Schäden sind unumkehrbar, irreversibel. Man muss im Gegenteil froh sein, wenn man den progredienten Verlauf bremsen kann. Deshalb wäre auch hier ein frühes (Be-)Handeln von entscheidendem Vorteil.

Körper erhält nicht mehr genügend Sauerstoff

Diagnostiziert wird eine COPD mit einem Lungenfunktionstest mittels Spirometer. Je nach Befund sind weitere Abklärungen angezeigt, wie etwa Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren oder die Bestimmungen der Sauerstoffsättigung des Blutes. Bei fortgeschrittener COPD kann die Lunge dem Körper nicht mehr genügend Sauerstoff zufügen. Dann muss das Herz mehr pumpen, doch dieser Anspruch kann es mit der Zeit heillos überfordern. Es droht eine ihrerseits irreversible und zum vorzeitigen Tod führende Herzschwäche.

Die Therapie der COPD wird ihrem Schweregrad angepasst. Massgebend sind die Lungenfunktion sowie die Ausprägung der Symptome und die Anzahl jährlicher akuter Verschlechterungen (Exazerbationen). Grippale Infekte («Erkältungen ») und Grippe, die ein gesunder Mensch ohne grössere Probleme wieder wegstecken kann, können bei COPD-Patienten zu dramatischen Verschlimmerungen führen.

Rauchstopp ist Voraussetzung für Nutzen der Therapie

«Als Basistherapie dienen Medikamente zum Inhalieren sowie Impfungen gegen Grippe und Lungenbakterien (Pneumokokken), bei Exazerbationen kommen auch Cortison und manchmal Antibiotika zum Einsatz», sagt Hesse.

In fortgeschrittenen Fällen sind zusätzlich Sauerstofftherapie, Heimbeatmung oder eine Lungenvolumenreduktion (siehe Kasten) angezeigt, zudem eine individuell zugeschnittene Rehabilitation mit körperlichem Training, Atemschulung und psychischer Unterstützung. Was auch immer gemacht wird: Zwingend ist ein Rauchstopp, wenn er nicht bereits erfolgt ist. Wer weiterraucht, dämpft unter anderem die Wirkung der Medikamente.

Was ist mit einer Lungentransplantation? Marcus Hesse: «Sie kann bei COPD in Einzelfällen durchgeführt werden, vor allem, wenn beim Patienten bereits eine fortgeschrittene Herzschädigung durch die COPD besteht.» Doch auf eine Spenderlunge sollte man sich nicht verlassen. Es gilt, zu seiner eigenen Lunge Sorge zu tragen, erst recht, wenn sie bereits angegriffen ist.

Eine mögliche Therapie: Lungenvolumenreduktion

Im Verlaufe einer schweren COPD kommt es oft zu einer Lungenüberblähung (Lungenemphysem). Grund ist die Zerstörung von Lungenbläschen durch eingeatmete Schadstoffe, allen voran Tabakrauch. «Das führt zu einer chronischen Entzündung, wodurch sich die Trennwände zwischen den Lungenbläschen allmählich auflösen und immer grössere Blasen in der Lunge entstehen », wie es auf www.lungenaerzte-imnetz. de/ heisst. Das überblähte Gewebe behindert die Atemmechanik und den Gasaustausch (Aufnahme von Sauerstoff ins Blut, Abgabe von Kohlendioxid). Patienten verspüren oft Atemnot, in fortgeschrittenem Zustand selbst in Ruhe.

Trotz medikamentöser Therapie leiden diese Patienten oft unter einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität. Ihnen kann zum Teil durch eine chirurgische oder endoskopische (bronchoskopische) Lungenvolumenreduktion geholfen werden. Dadurch vermindert sich die Überblähung, wodurch im Endeffekt Atemmechanik und Allgemeinzustand verbessert werden.

Bei der endoskopischen Lungenvolumenreduktion werden spezielle Einwegventile implantiert, die das Lufteinströmen beim Einatmen verhindern, aber das Ausströmen von Luft und Sekret erlauben. Mithilfe dieser Ventile verringert sich die Überblähung schrittweise und führt schliesslich zum Kollabieren des nicht belüfteten, funktionseingeschränkten Lungenbereichs.

Eine zweite Möglichkeit ist das Einsetzen von sogenannten Coils. Das sind spezielle Drähte, die sich nach dem Implantieren in den überblähten Bereich spiralförmig zusammenziehen und umgebendes Gewebe mit sich ziehen, also quasi zusammenraffen und auf diesem Weg stilllegen.

«Der Anteil an COPD-Patienten, die eine endoskopische Lungenvolumenreduktion erhalten, ist eher gering, und sie müssen sehr gut ausgewählt werden, deshalb kommt nur etwa einer von hundert dafür in Frage», dämpft Marcus Hesse, Chefarzt Pneumologie am Luzerner Kantonsspital Sursee und Wolhusen, übertriebene Erwartungen. Jene aber, die für den Eingriff in Frage kommen, profitieren. Hesse: «In 80 Prozent der Fälle wird eine Besserung erreicht, in 20 bis 30 Prozent sogar eine sehr deutliche. » (hag)

Autor: Hans Graber

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