«Die Entfernung der Gallenblase geht ambulant – aber nicht bei allen»

Die laparoskopische Cholezystektomie (Gallenblasenentfernung) gehört zu den häufigsten Eingriffen in der Viszeralchirurgie. In der Schweiz wird dieser minimalinvasive Eingriff, das heisst ohne grössere Schnitte, bislang meist stationär durchgeführt – doch das soll sich ändern. Die Ambulantisierung verspricht kürzere Spitalaufenthalte und eine schnellere Genesung. Gleichzeitig entlastet sie das Gesundheitssystem, da medizinisch nicht notwendige stationäre Behandlungen vermieden werden – ein gesamtwirtschaftlich sinnvoller Schritt. Doch wie sicher ist der Eingriff ohne stationäre Überwachung?
Martin Bolli, wann wird die Entfernung der Gallenblase nötig und was ist das für ein Eingriff?
Die Gallenblase wird meist entfernt, wenn sich Gallensteine bilden, die Beschwerden verursachen – etwa Koliken, Entzündungen oder Gallenstau. In solchen Fällen ist die Cholezystektomie die Standardtherapie. Der Eingriff selbst ist technisch nicht besonders schwierig, wenn er laparoskopisch erfolgt und keine komplizierten Situationen vorliegen. Laparoskopisch bedeutet, über wenige kleine Schnitte werden feine Instrumente und eine Kamera in das Innere des Körpers eingeführt – es ist kein grosser Bauchschnitt notwendig. Die Kamera überträgt ein Bild auf einen Monitor, so dass die Chirurginnen und Chirurgen präzise arbeiten können. Wir führen den Eingriff an allen Spitälern der LUKS Gruppe durch – wir sprechen von klassischer Grundversorgung. Nichtsdestotrotz: Jede Operation birgt Risiken, und gerade bei entzündlichen Veränderungen oder anatomischen Besonderheiten kann es anspruchsvoll werden. Deshalb ist Erfahrung in der Viszeralchirurgie entscheidend.
Nun kommt die laparoskopische Gallenblasenentfernung auf die AVOS-Liste. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Voraussetzungen dafür?
Die wichtigste Voraussetzung für eine ambulante Durchführung der laparoskopischen Gallenblasenentfernung ist eine sorgfältige Patientenselektion. Geeignet sind stabile Patientinnen und Patienten ohne relevante Begleiterkrankungen, die im Alltag selbständig sind und nach dem Eingriff in Begleitung nach Hause gehen können. Der Kanton stellt dafür gut ausgearbeitete Aufnahmekriterien sowie klar definierte Ausschlusskriterien zur Verfügung – etwa bei einer entzündeten Gallenblase. So ergibt sich eine sinnvolle Einteilung, wer ambulant und wer stationär operiert werden sollte. Auch die häusliche Situation spielt eine Rolle: Personen, die allein leben oder keine Betreuung haben, sind für einen ambulanten Eingriff weniger geeignet.
Welche Risiken sehen Sie bei der ambulanten Durchführung im Vergleich zur stationären?
Die Operation selbst ist identisch. Das Risiko liegt eher in der Nachsorge: Komplikationen wie Nachblutungen oder Infektionen könnten zu spät erkannt werden, wenn keine strukturierte Nachkontrolle erfolgt. Deshalb braucht es klare Protokolle und eine gute Einbindung durch die betreuenden Ärztinnen und Ärzte inklusive Hausärzteschaft.
Wie verändert sich Ihr Arbeitsalltag durch die Ambulantisierung?
Klar, gibt es Anpassungen. Der Patientenpfad ist anders – Ein- und Austritt sind am selben Tag. Insbesondere die postoperative Betreuung wird anders organisiert – mit Aufwach- und Ruheraum nach der Operation. Auch die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten wird intensiver, sie müssen genau wissen, worauf sie achten sollen. Wenn sie nach Hause gehen, brauchen sie eine Anlaufstation rund um die Uhr und fixe telefonische oder persönliche Nachkontrollen an den Folgetagen, was wir auch gemeinsam mit Hausärztinnen und Hausärzten organisieren. Diesen Anpassungen stellen wir uns gerne – denn es ist medizinisch sinnvoll, dass die Eingriffe ambulant durchgeführt werden.
Was sind die Vorteile für die Patientinnen und Patienten?
Viele schätzen es, nach dem Eingriff zügig wieder zu Hause in ihrem gewohnten Umfeld zu sein. Die Genesung verläuft oft schneller. Aber das funktioniert nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Wie wird entschieden, ob jemand ambulant oder stationär operiert wird?
Das entscheiden wir im interdisziplinären Team – Chirurgie, Anästhesie und Pflege. Es gibt klare, vorgegebene Kriterien, aber auch individuelle Faktoren wie Angst, soziale Situation oder Vorerkrankungen spielen eine Rolle.
Wie sieht die Nachsorge aus? Wer übernimmt die Verantwortung nach der Entlassung?
Wir geben den Patientinnen und Patienten klare Anweisungen mit und stehen telefonisch zur Verfügung. Die Hausärztinnen und Hausärzte übernehmen oft die Kontrolle der Wunde und die weitere Betreuung. Wichtig ist, dass alle Beteiligten gut informiert und miteinander abgestimmt sind. Das stellen wir als Spital sicher.
Gibt es bereits Erfahrungen oder Studien zur ambulanten Cholezystektomie – auch international?
Ja, in vielen Ländern ist dieser ambulante Eingriff seit Jahren etabliert. Studien zeigen keine Einbussen der Qualität. Entscheidend ist: gute Vorbereitung, klare Abläufe und eine strukturierte Nachsorge.
Mit der Ambulantisierung will man das Kostenwachstum im Gesundheitswesen dämpfen. Wie ist Ihre Einschätzung?
Der Ansatz, die Kosten im Gesundheitswesen durch vermehrt ambulante Eingriffe zu senken, ist nachvollziehbar. Bei ambulanten Eingriffen sind die Vergütungen tiefer, was sich positiv auf die Krankenkassenprämien auswirken kann. Gleichzeitig ist das Thema komplex: Für uns als Klinik bedeutet die Ambulantisierung der Gallenblasenentfernung konkret weniger Einnahmen pro Eingriff. Das ist politisch so gewollt – und medizinisch unterstütze ich diesen Weg voll und ganz. Trotzdem spreche ich diesen Punkt bewusst an, denn sobald Spitäler ihre Jahresergebnisse präsentieren, gerät dieser Aspekt oft in den Hintergrund. Deshalb setzen wir bewusst auf hohe Behandlungsqualität und schlanke Prozesse – das ist unser Weg, um medizinisch und wirtschaftlich nachhaltig zu arbeiten.
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