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Gegen Krätze fehlt eine kinderfreundliche Behandlungsmethode

Die Krätze ist im Vormarsch. Die von Mensch zu Mensch übertragbare Krankheit verursacht Juckreiz, Schlafstörungen oder bakterielle Hautinfektionen. Milben graben sich in die Haut ein, vor allem bei Kindern, legen Eier ab und vermehren sich darin. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einer prioritären Krankheit und rief zu vermehrter Forschung auf. Aktuell arbeitet eine Forschergruppe der Universität Basel und des LUKS an einer Behandlung mit einer kinderfreundlicheren Tablette.
9. Mai 2024
Lesezeit: 5 Minuten

Geplant ist eine multizentrische Schweizer und internationale Studie, geleitet von KD Dr. med. Michael Büttcher, Leitender Arzt Pädiatrische Infektiologie am Luzerner Kantonsspital (LUKS), unter Mitarbeit von Forschenden der Universität Basel und des Schweizer Tropen und Public Health Institut. Dabei soll eine optimierte und kinderfreundliche Tablette mit dem Wirkstoff Ivermectin bei betroffenen Familien mit der herkömmlichen Permethrin Creme (äusserliche Behandlung) verglichen werden. Wir sprachen mit Michael Büttcher über die Herausforderung (Krätze) und die geplante Forschungsarbeit.

Wie häufig ist diese Krankheit in der Schweiz?

Die Krätze ist nicht meldepflichtig, weshalb es keine genauen nationalen Zahlen gibt. Doch der Zuwachs allein am LUKS ist beachtlich: 2022 haben wir etwa 90 Fälle behandelt, 2023 waren es bereits 150 und dieses Jahr bis Ende März deren 40. Mindestens 50 Prozent der Betroffenen sind Kinder und Jugendliche, darunter viele Säuglinge. Wir planen aber dieses Jahr Skabies im «Sentinella Meldesystem», einem Co-Projekt zwischen Hausärztinnen und Hausärzten sowie dem BAG, zu integrieren. Hier ist eine Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Hausarztmedizin und Community Care der Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Medizin an der Uni Luzern in Planung.

Wie verbreitet sich die Krankheit?

In erster Linie von Mensch zu Mensch bei längerem und intensivem Hautkontakt, in der Regel unter Familienmitgliedern. Es braucht aber oft mehr als Händeschütteln, eine Umarmung oder die gemeinsame Nutzung von Gegenständen. Ansteckungsherde gibt es beim gemeinsamen Spielen von Kindern, der Körperreinigung von Kleinkindern, beim Stillen von Säuglingen, der Pflege von Kranken oder beim Kuscheln.  Von der Infektion bis zum Ausbruch dauert es in der Regel zwei bis sechs Wochen.

Wie äussert sich die Krankheit bei Betroffenen?

Scabies beginnt unspektakulär, kann aber schnell massive Hautprobleme verursachen. Erste Anzeichen sind oft ein Brennen der Haut oder lästiger intensiver Juckreiz vor allem bei nächtlicher Bettwärme. Die Milben bevorzugen warme Hautareale mit dünner Hornhautschicht wie zwischen Fingern und Zehen, an Handgelenken und Fussknöcheln, in Achseln und Leisten, an Ellbogen, Brust, Nabel und in der Anal- bzw. Genitalregion. Bei Säuglingen können auch Kopfhaut, Hand- und Fussflächen betroffen sein.

Wie gelangen die Milben in den Körper und wie geht es dann weiter?

Krätzmilben sind Spinnentiere und benötigen immer einen menschlichen Wirt, zum Überleben und zur Vermehrung. Mit blossem Auge sind sie kaum wahrnehmbar (kleiner als ein halber Millimeter). Die befruchteten Milben-Weibchen graben mehrere Zentimeter lange Gänge in die Hornschicht der Haut, verbleiben dort 4 bis 6 Wochen und legen täglich Eier, aus denen Larven schlüpfen. Diese schwärmen an die Hautoberfläche aus und entwickeln sich in Falten, Vertiefungen und Haarfollikeln zu neuen geschlechtsreifen Milben – der Zyklus beginnt erneut. Erst nach 2-6 Wochen merkt das Immunsystem des Menschen, dass «etwas Fremdes» unter der Haut steckt und löst eine Entzündungsreaktion mit starkem Juckreiz aus. Die Milben haben aber in dieser Zeit quasi «inkognito» schon weitere Personen befallen. Durch Kratzen könne sich verletzte Hautstellen entzünden und eitrige Krusten bilden. Zusätzlich können hierbei Bakterien in die gestörte Hautbarriere eindringen und bakterielle Hautinfektionen verursachen.

Ist die Krankheit lebensgefährlich und kann man ihr vorbeugen?

Nein, aber sehr störend. Sie schränkt die Lebensqualität stark ein und führt zu Schlafmangel und Konzentrationsproblemen. Bei zusätzlichen bakteriellen Infektionen ist eine Behandlung mit Antibiotika nötig. Es gibt keinen vorbeugenden Schutz. Wichtig ist darum, dass sie rasch erkannt und behandelt wird. Dies gilt auch für die übrigen Familienmitglieder, die infiziert sein können, ohne Symptome aufzuweisen. Es stehen wirksame Medikamente zur Verfügung, welche die Krätzemilben abtöten können. Ferner sind umfassende Hygienemassnahmen wichtig.

Nun plant eine Forschungsgruppe des LUKS und der Universität Basel eine Studie zu neuen Behandlungsmethoden bei Kindern. Welches Ziel haben Sie dabei?

Standardmässig wird Krätze heute äusserlich mit einer Creme behandelt. Der Wirkstoff Permethrin ist jedoch nicht immer wirksam und die Anwendung zuweilen schwierig, weil sich vor allem kleine Kinder dieser Ganzkörpersalbung widersetzen können. Die Tabletten mit dem Wirkstoff Ivermectin sind unter anderem in der Schweiz noch nicht für Kinder unter 5 Jahren zugelassen. Sie werden dennoch «off-label» eingesetzt wie oft bei anderen Therapien bei Kindern, wenn Studien oder zugelassene Alternativen fehlen. Nach unseren Erkenntnissen ist Ivermectin bei Kleinkindern sicher. Doch die Tabletten müssen zerkleinert und mit Flüssigkeit vermischt werden. Das ist unpraktisch, führt zu Fehldosierungen und zudem ist der Geschmack nicht kinderfreundlich.

Das wollen Sie nun ändern?

Ja, unsere Forschergruppe hat eine kinderfreundliche Tablette entwickelt, die sich im Mund schnell auflöst, wenn sie mit Speichel in Berührung kommt. Sie kann genau dosiert werden. Nun wollen wir herausfinden, ob die Tablette wirksamer ist als die Cremebehandlung. Ausserdem vergleichen wir die Veränderung der Lebensqualität durch Therapie und prüfen Sicherheit und Akzeptanz. Erweist sich die neue Tablette als wirksam, wäre das für Betroffene eine enorme Verbesserung, vor allem für unsere Kleinsten.

Ihrer Forschung ging eine Umfrage voraus, an der rund 250 medizinische Fachpersonen teilgenommen haben, die auch kürzlich publiziert wurde. Welche Erkenntnisse brachte sie?

Adressaten der anonymen Online-Umfrage waren Mitglieder von Schweizer Fachgesellschaften für Dermatologie, Allgemein- und Kindermedizin, Infektionskrankheiten und Tropenmedizin. Die meisten hatten innert 16 Monaten bis zu 10 Krätzefälle an Kindern behandelt. Permethrin (Creme) war jeweils erste Wahl, doch bis zu zwei Drittel der pädriatischen Dermatologen verwendeten regelmässig orales Ivermectin. Ihr Fazit: Es braucht mehr Forschung im Bereich Therapie für Kinder, insbesondere im Bereich kinderfreundlichere Darreichungsformen.

Warum ist die Forschung zur Behandlung der Krätze so wichtig?

Krätze ist weltweit eine der häufigsten ansteckenden Hautkrankheiten. Jährlich sind bis zu 400 Millionen Menschen betroffen. Die Krankheit tritt häufig bei Kleinkindern auf, vor allem in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Doch betroffen sind neben Migrantinnen und Migranten zunehmend auch die allgemeine Bevölkerung in der Schweiz. 

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