Interview mit Dr. Pfnüsel der Theodora Stiftung
Vor seinem Einsatz als Dr. Pfnüsel, habe ich mich um 11:30 Uhr mit Martin Soom auf dem Kinderspielplatz des Kantonsspitals Luzern zum Interview verabredet:
Martin, wie kamst du zur Stiftung Theodora und wie lange bist du bereits Traumdoktor?
Ich bin ausgebildeter Primarlehrer und arbeite noch immer zwei Tage in der Woche als Heilpädagoge. Zudem habe ich an der Mimenschule Ilg in Zürich Schauspiel studiert, war mit dem Circus Monti sowie mit Gilbert und Oleg’s Fahrieté auf Tournee. Traumdoktor der Stiftung Theodora bin ich nun bereits seit 15 Jahren und dies mit viel Herzblut und Leidenschaft.
Aber nicht nur Martin war ein äusserst spannender Gesprächspartner, sondern natürlich auch "Dr. Pfnüsel":
Dr. Pfnüsel, warst du oft erkältet, oder wie kam dein Name zustande?
(Lacht) Nein, gar nicht. Während meiner Ausbildung zum Spitalclown habe ich mir Gedanken über einen möglichen Namen gemacht. Herausgekommen ist eine Liste mit rund 200 Namen drauf. Nach langem hin und her habe ich mich schlussendlich für „Dr. Hatschi“ entschieden. Leider war der dann schon besetzt. So wurde es „Dr. Pfnüsel“ und ich bin sehr happy darüber.
Wie würde sich Dr. Pfnüsel in zwei drei Sätzen beschreiben?
Also Dr. Pfnüsel ist sehr neugierig, einer der noch etwas in der Kindheit stecken geblieben ist und nicht immer alles sofort versteht. Er ist aber sehr interessiert Menschen kennenzulernen und freut sich immer über die verschiedensten Begegnungen, die hier im Spital stattfinden.
Aber Dr. Pfnüsel ist nicht immer nur lustig oder?
Nein, ganz und gar nicht. „Dr. Pfnüsel“ kann auch sehr nachdenklich, poetisch, magisch sein – auch traurig ist er manchmal. Aber am liebsten hat er es, wenn es was zu lachen gibt.
Du bist jeden Donnerstag im Kinderspital Luzern unterwegs. Wie muss ich mir einen Donnerstag-Nachmittag von Dr. Pfnüsel vorstellen?
Unser Team trifft sich immer zum gemeinsamen Mittagessen. Das gibt uns die Chance zuerst etwas „anzukommen“ und uns auszutauschen bevor es losgeht. Anschliessend gehen wir in die Garderobe, um uns umzuziehen. Das ist auch der Moment, in welchem wir langsam in unsere Rolle schlüpfen. Um 13 Uhr geht’s los, dann besuchen wir die Kinder hier im Kinderspital bis ca. 17 Uhr.
Mit welchem Ziel startest du jeweils in den Donnerstag-Nachmittag?
Unser Hauptziel ist es, die Kinder im Spital für einen Moment lang aus ihrem Alltag raus zu holen, ihnen einen anderen Fokus zu geben. Sie für einen Moment lang vergessen zu lassen, wo sie sind. Mir ist es ganz wichtig bei diesen Begegnungen, dass das Kind im Zentrum steht. Es geht primär um das Kind, seine Wünsche und Träume. Weder um seine Krankheit, noch um seine Angehörigen oder allenfalls unangenehme Sachen, welche im weiteren Spitalaufenthalt noch anstehen. Wenn wir die einzelnen Begegnungen so gestalten können, dass das Kind das Gefühl hat, es gehe ihm anschliessend etwas besser, dann haben wir unser Ziel erreicht.
Wie bereitest du dich auf die kleinen Patienten vor? Welche Informationen benötigst du, um dich optimal auf die Kinder vorbereiten zu können?
Wir erhalten jeweils direkt vor unserem Besuch wichtige, tagesaktuelle Informationen auf den Stationen. Es sind jedoch nicht komplette Krankengeschichten der einzelnen Personen, sondern lediglich diese Infos, welche für unsere Arbeit wichtig sind.
Ich habe gelesen, dass ihr einen klar definierten Ablauf habt für eure Einsätze. Wie sieht dieser aus uns weshalb?
Wir besuchen sechs verschiedene Abteilungen. Die Reihenfolge, welche Abteilung wann besucht wird ist klar definiert. Wir beginnen bei jenen Kindern mit einem schwachen Immunsystem, jene die vor möglichen Krankheitserregern geschützt werden müssen. Der Abschluss unserer Besuchstour machen wir auf der Station der Kinder mit Infektionskrankheiten. Die Reihenfolge ist sehr durchdacht und auch die Hygine-Regeln müssen wir sehr bewusst einhalten. Hauptziel ist natürlich, dass keine Krankheiten im Spital „verschleppt“ werden.
Dr. Pfnüsel, was ist deine Haupteigenschaft um Kinderaugen zum Strahlen zu bringen?
Die Zauberei! Ich bin Zauberkünstler, war dies bereits bevor ich zur Stiftung Theodora gekommen bin. Zu Anfangszeiten habe ich unglaublich viel gezaubert im Kinderspital, heute deutlich weniger. Die Improvisation ist mir persönlich viel wichtiger – die Momente leben! Sobald wir unser Kostüm tragen improvisieren wir. Aber wenn du im richtigen Moment einen Zaubertrick „zücken“ kannst, ist und bleibt das natürlich eine tolle Sache und wirkt oft sehr beeindruckend auf die Kleinen. Wobei am schönsten ist es, wenn du nicht einfach ein Kunststück zeigst, sondern einfach etwas Unerwartetes passieren lässt.
Wie hast du dich bei deinem allerersten Besuch gefühlt?
(Lacht) Ich war sehr nervös! Ich hatte etwas Angst vor dem Spital und all den Maschinen und anderen Dingen die man so antrifft. Aber in der Ausbildung lernt man natürlich genau den Umgang mit diesen Themen. Es ist einfach etwas Anderes, ob du Clown bist in einem Zirkus, wo du jeden Abend die gleiche Nummer zeigst, oder in einem Spital wo kein Moment ist wie der vorherige. Es sind vielmehr Dinge zu beachten: einerseits der direkte Kontakt mit den Kindern, andererseits den Umgang mit Angehörigen, der Austausch mit dem Pflegepersonal, die Hygienevorschriften und und und. Es ist eine sehr vielschichtige Arbeit, die grosse Aufmerksamkeit fordert.
Wie emotional ist Dr. Pfnüsel?
Sehr! Aber Dr. Pfnüsel kann auch gut mit Emotionen umgehen. Ich lasse mich stark auf die einzelnen Begegnungen ein. Es ist aber auch wichtig, wieder loslassen zu können.
Wie gelingt es dir die nötige Distanz zu wahren, um die einzelnen Geschichten nicht zu nah an dich ran zu lassen?
Einerseits sind wir als Team unterwegs, besuchen die Zimmer zwar einzeln, aber haben stets die Möglichkeit uns ab und an kurz auszutauschen. Das ist wertvoll! Andererseits habe ich ein Motto für meine Besuche: Man geht ins Zimmer rein und hat eine wunderbare Zeit zusammen mit dem Kind. Wenn man den Raum wieder verlässt, schliesst man die Türe und lässt das Kind und seine Geschichte im Zimmer. Das hilft, um wieder frisch und munter zu sein für die nächsten Begegnungen mit unseren kleinen Patienten. Wenn ich alle Geschichten mit mir mittragen würde, wäre ich blockiert und ein lockeres und fröhliches Weiterarbeiten wäre deutlich schwieriger.
Als du einmal nach einem rührenden Erlebnis gefragt wurdest, hast du geantwortet, du seist kein Anekdotensammler. Ist dies ein Schutzmechanismus von dir um Geschichten nicht zu nah an dich ran zu lassen?
Ehrlich gesagt vergesse ich leider viele Sachen wieder, die ich im Spital erlebe. Ich lebe stark in dem Moment, wo das Spiel gerade wichtig ist, gute Ideen entstehen und das Kind lacht. Dr. Pfnüsel geniesst diese Momente sehr aber trägt sie anschliessend nicht mehr mit sich rum. Ich erinnere mich immer wieder an die einzelnen Kinder, aber nicht explizit an gewisse Momente.
Welche Wirkung hat Dr. Pfnüsel auf die Eltern?
In der Regel werden wir sehr positiv aufgenommen. Für die Eltern ist es im Idealfall auch ein Moment wo sie merken, dass es ihrem Kind bessergeht, es lacht und Freude hat. Es gibt oft die Situation, dass Eltern zu uns kommen und sagen: „Sie, mein Kind hat seit zwei Wochen das erste Mal wieder gelacht!“. Das sind natürlich unglaublich starke Momente für mich, die Eltern, aber auch fürs Kind. Eltern sind oft auch ganz einfach froh, dass sie kurz Pause machen oder einen Kaffee trinken gehen können und dabei wissen, dass ihr Kind gut versorgt ist und es einen schönen Moment erlebt mit uns.
Gibt es Eigenschaften, die Dr. Pfnüsel hat, Martin Soom jedoch nicht?
Dr. Pfnüsel hat eine rote Nase. Martin Soom läuft privat nicht so rum (lacht). Spass bei Seite, wir sind uns sehr ähnlich. Ich bin überzeugt, dass man ehrlich und echt sein muss in beiden Rollen. Es ist nicht wie im Theater, wo ich einen Zauberer oder einen Dorfbewohner spiele und dann jemand ganz anderen darstelle, als ich selber bin. Ich identifiziere mich sehr stark mit Dr. Pfünsel. Ich habe ja nicht nur diese zwei Rollen, sondern ich bin zwei Tage in der Woche Lehrperson, ich bin Vater, manchmal bin ich auch Erfinder. Aber natürlich gehe ich als Martin an der Schule nicht gleich mit den Menschen um, wie als Dr. Pfnüsel im Spital.
Was macht Dr. Pfnüsel am meisten Spass an seiner Arbeit?
Jeder Tag und jede Begegnung an einem Donnerstag-Nachmittag ist anders wie die Woche zuvor. Am meisten Freude macht es mir, wenn ich ein Kind in seinem Zimmer besuche und aus der Situation einen Moment entsteht, welchen ich noch nie zuvor so erlebt habe. Es ist wunderschön was man durch diese Arbeit zurück erhält: Freude, strahlende Kinderaugen und Dankbarkeit. Das gibt mir unglaublich viel Energie.
Objektiv betrachtet, was glaubst du, weshalb sind Traumdoktoren so wertvoll?
Das Kind darf in diesem Moment einfach nur Kind sein. Für das Kind ist unser Besuch einen Moment von Freiheit. Und meiner Meinung nach ist Freiheit etwas vom Wertvollsten, was man im Leben haben kann.
Vielen herzlichen Dank liebe Traumdoktoren (Dr. Pfnüsel, Dr. Pirulina und Dr. Wolle) für eure tolle und beeindruckende Arbeit, die ihr wöchentlich in den Kinderspitäler der Schweiz leistet. Es war ein grosses Erlebnis euch kennenlernen zu dürfen und hat mich riesig gefreut!
Anmerkung
Dieser Beitrag entstand von Thomas Odermatt im Rahmen von Tom Run for Kids, bei welchem Projekt CHF 4'600.- für die Stiftung Theodora gesammelt wurde.