Neue Lebensperspektiven
Dr. Urs Diener vor dem Spitalschiff «Africa Mercy» während seines Einsatzes im Mai in Kamerun. In der Zwischenzeit hat das
Spitalschiff in Conakry, Guinea, geankert, wo die medizinischen Hilfeleistungen bis Juni 2019 angeboten werden. [Bilder zVg]
Urs Diener ist Chefarzt der Chirurgie am Luzerner Kantonsspital Wolhusen. Im Mai leistete er während zwei Wochen einen freiwilligen Einsatz auf dem Spitalschiff der Hilfsorganisation «Mercy Ships» (siehe Kasten) in Douala, Kamerun. Dies im Rahmen eines persönlichen Engagements während den Dienstaltersgeschenk-Ferien. Im Gespräch mit dem EA erklärt Urs Diener, dass er in seiner aktuellen beruflichen Situation am Spital Wolhusen nicht zu lange weggehen könne. «Die Möglichkeit eines Kurzeinsatzes bei ‹Mercy Ships› in meinem Fachgebiet hat mich aber sofort angesprochen», meint Diener. «Angesteckt vom Afrikavirus» hatte sich Urs Diener schon am Ende seines Studiums, als er ein paar Monate in den Bergen von Lesotho in einem Landspital tätig war.
Fachwissen und Topmotivation
Auf der «Africa Mercy», so der Name des aktuellen Spitalschiffes von «Mercy Ships», führte Urs Diener Sprechstunden durch und operierte täglich, vorallem grosse Leisten- und Bauchwandbrüche, Weichteilgeschwülste, Schilddrüsen und notfalls auch am Darm. Dazu kamen die Visiten bei den Patienten, welche neben der stationären auch eine Vor- und Nachbehandlung erhalten. Wie der Wolhuser Arzt erklärt, ist das Spitalschiff recht modern ausgestattet und voll klimatisiert. Es verfügt über fünf Operationssäle, Aufwachraum, Intensivstation, Röntgen, Labor und etwa 70 Pflegebetten. Dazu kommen ein Sicherheitskonzept und eine umfassende Infrastruktur für die etwa 400 Mitarbeitenden, die alle auf dem Schiff leben.
Urs Diener erlebte die Zusammenarbeit als sehr offen, teamorientiert und hochmotiviert. «Man muss sich vorstellen, da arbeiten 30 Nationen auf engem Raum zusammen. Jeder Mitarbeitende – vom Kapitän bis zum Deckschrupper, von der Pflegefachfrau bis zum Koch oder Administrator – ist freiwillig da, bezahlt Reise, Kost und Logis selber und verzichtet auf Lohn. Dafürist die Behandlung der Patienten kostenlos. Und das alles zusammen ist wohl der Schlüssel zum Funktionieren dieses kleinen «Dorfes» auf dem Wasser. «Dank der zielgerichteten Personalrekrutierung bringt die Organisation ein hohes Fachwissen vor Ort», ist der 53-Jährige überzeugt.
Behandlungen und Ausbildung
Zum Erfolgskonzept von «Mercy Ships» gehört für Urs Diener auch, dass das Schiff nicht einfach der Küste entlang fährt und seine Hilfe anbietet, sondern immer auf Einladung der jeweiligen Regierung für zehn Monate in der Hafenstadt anlegt und so eine Gesundheitsversorgung mit sonst nicht zugänglichen Operationen möglich macht. Zudem gehören auch Schulungs- und Infrastrukturprojekte vor Ort ins Programm.
Für Urs Diener war es eine sehr spannende und beeindruckende Zeit in Kamerun, das wird im Gespräch deutlich. Das gut organisierte und qualifizierte Konzept von «Mercy Ships» hat ihn überzeugt: «Als erfahrener Chirurg konnte ich in einem kleinen Bereich der Medizin hocheffizient Hilfe leisten. Natürlich ist diesim Grossen und Ganzen ein Tropfen auf dem heissen Stein, aber für das individuelle Schicksal lebensverändernd. Ich mache das gerne wieder», so der Chirurg, den insbesondere auch die glücklichen Gesichter und die Lebensfreude der Patienten beeindruckten. Er unterstreichtseine Motivation mit dem Zitat des Pfadfindergründers «Versucht die Welt ein bisschen besser zurückzulassen, als ihr sie vorgefunden habt.» Der Wolhuser Arzt ist überzeugt, dass nicht zuletzt auch die Patienten hier in der Schweiz von neuen Inputs, welche erim Austausch mit internationalen, hochqualifizierten Kollegen erhalten durfte, profitieren können.
Chirurgische Hilfe für die lokale Bevölkerung
«Mercy Ships» ist eine internationale, auf christlichen Werten basierende Organisation, die 1978 in Lausanne gegründet wurde. «Mercy Ships» hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Spitalschiffen die Gesundheitsversorgung in Entwicklungsländern zugänglich zu machen. Wie dem aktuellen Jahresbericht zu entnehmen ist, wurde auf dem weltweit grössten zivilen Spitalschiff «Africa Mercy» Ende 2017 die 30 000. Operation durchgeführt. Während des zehnmonatigen Einsatzes des Spitalschiffesin Kamerun wurden über 2500 Patienten kostenlos operiert und mehr als 9200 Menschen zahnärztlich behandelt. 1475 Personen nahmen an medizinischen Fortbildungskursen teil und 89 Personen am MentoringProgramm. Die Infrastruktur der «Africa Mercy» ermöglicht medizinische Eingriffe nach westlichen Standards und ein professionelles Arbeiten der ehrenamtlichen Mitarbeiter. Ein neues Spitalschiff, die «Global Mercy», ist im Bau und soll ab 2020 die Unterstützungs- und Hilfeleistungen von «Mercy Ships» mehr als verdoppeln. Weitere Infos sind unter www.mercyships.ch erhältlich. [pd/LW]
Autor: Lisbeth Wicki
Quelle: Entlebucher Anzeiger