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Nierenstein-Prophylaxe kommt ins Wanken

Jahrzehnte lang galten harntreibende Medikamente aus der Klasse der Thiazide als geeignetstes Mittel, um Nierensteinrückfällen vorzubeugen. Eine neue Studie, an der auch das Luzerner Kantonsspital (LUKS) beteiligt war, zeigt nun, dass sich die Behandlung damit bei Patienten mit hohem Risiko für ein erneutes Auftreten von Nierensteinen kaum von Placebo unterscheidet.
17. April 2023
Lesezeit: 3 Minuten
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Dr. med. Urs Odermatt, Chefarzt Nephrologie am LUKS

Die Autoren unter Leitung von Prof. Dr. med. Daniel Fuster, Leitender Arzt an der Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie des Inselspitals, ziehen nach ihrer Untersuchung mit über 400 Patienten dieses Fazit: «Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass sich die Behandlung mit Hydrochlorothiazid in Bezug auf die Verhinderung eines erneuten Auftretens von Nierensteinen bei Patienten mit hohem Risiko für ein erneutes Auftreten nicht wesentlich von Placebo zu unterscheiden scheint.»

An der Studie mitbeteiligt war auch Dr. med. Urs Odermatt, Chefarzt Nephrologie am LUKS. Er ordnet die Studie für uns ein.

Zum Einstieg: Wie verbreitet sind Nierensteine und wer ist davon betroffen?

Nierensteine entstehen durch die Kristallbildung von im Urin gelösten Kristallen. Mit der Zeit werden sie immer grösser, von den Ausmassen eines Reiskorns bis zu mehreren Zentimetern. Die Steine sind oft sehr schmerzhaft, wer einmal daran erkrankt ist, muss mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent mit einem Rückfall rechnen. Ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen, eher Männer als Frauen. Auch Kinder können darunter leiden. Das typische Alter liegt zwischen 30 und 60 Jahren. 

Was wurde wie untersucht?

Nierensteine können aus unterschiedlichen Substanzen bestehen. Die meisten Steine beinhalten jedoch Kalzium. Seit Jahrzehnten wurden sogenannte Thiazide zur Vorbeugung von Nierensteinrückfällen eingesetzt. Diese reduzieren den Kalziumgehalt im Urin. Deren Wirkung war in mehreren kleinen Studien getestet worden. Unsere Studie hat nun bei Patientinnen und Patienten mit hohem Nierensteinrückfallrisiko die Wirksamkeit verschiedener Dosen des Thiazidpräparats Hydrochlorothiazid untersucht. Das ernüchternde Ergebnis: Die Rückfallrate unterschied sich bei allen Probanden, egal ob sie mit Hydrochlorothiazid oder Placebo behandelt worden waren, praktisch nicht. Insgesamt wurden in die Studie an sieben Kantonsspitälern und fünf Universitätsspitälern 416 Patientinnen und Patienten einbezogen. Alle litten in den vergangenen zehn Jahren zwei- oder mehrmals unter kalziumhaltigen Nierensteinen. In vier Gruppen wurden ihnen über drei Jahre einmal täglich nach dem Zufallsprinzip 12,5, 25 oder 50 Milligramm Hydrochlorothiazid oder Placebo verabreicht. Alle Beteiligten wussten nicht, wer wie behandelt wurde.

Damit kommt eine langjährige Therapie ins Wanken?

Ja, wir mussten feststellen, dass die Wirksamkeit von Hydrochlorothiazid im Rahmen der Vorbeugung von Nierensteinrückfällen bisher stark überschätzt wurde. Die früheren Studien wiesen methodische Mängel auf. Die Rückfallrate war in unserer Studie bei allen vier Gruppen ähnlich. Obwohl mit Thiazid behandelte Personen weniger Kalzium im Urin hatten als die Mitglieder der Placebo-Gruppe, veränderte sich ihr Nierensteinrisiko nicht. 

Was bedeuten diese Ergebnisse nun für Ihre Arbeit?

Hydrochlorthiazid ist zur Reduktion von kalziumhaltigen Nierensteinen bei den meisten Patienten nicht indiziert. Es stehen uns jedoch weitere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Der wichtigste ist und bleibt: Die tägliche Trinkmenge sollte mindestens drei Liter betragen. Ein stark verdünnter Urin neigt weniger zur Kristallbildung. Patienten, welche bereits mehrmals an Nierensteinen litten, bieten wir eine differenzierte Untersuchung im Blut und Urin an. Diese Analysen erlauben es uns, durch eine gezielte Beratung und massgeschneiderte medikamentöse Therapie die Rezidivhäufigkeit zu reduzieren. 

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