Direkt zum InhaltDirekt zum Fussbereich

Schadet eine Darmreinigung der Darmflora?

Luzerner Zeitung - Ich (w, 44) weiss, dass eine Darmreinigung mit Einläufen zur Entschlackung kontrovers diskutiert wird. In welchen Fällen ist denn eine Darmreinigung sinnvoll? Und welchen Einfluss hat das auf die Darmflora?
18. März 2019
Lesezeit: 3 Minuten
Criblez Dominique WebseiteBanner

Die Sorge, dass Abbauprodukte aus dem Dickdarm unseren Organismus vergiften könnten, ist weit verbreitet. Es trifft zwar zu, dass Stuhl potenziell toxische Substanzen enthält, die oft aus bakteriellen Abbau von Nahrungsbestandteilen anfallen. Diese Stoffe werden in die Leber transportiert, die als Filter funktioniert und die Substanzen meist zuverlässig aus der Blutbahn entfernt. Eine Darmreinigung ist daher bei gesunden Menschen mit intakter Leberfunktion aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht nicht nötig.

Anders verhält es sich bei stark eingeschränkter Leberfunktion, etwa bei fortgeschrittener Leberzirrhose. Die Entgiftungskapazität der Leber kann dann soweit reduziert sein, dass Gegenmassnahmen nötig sind. Das vorrangige Ziel besteht darin, mit sanften abführenden Mitteln für einen regelmässigen Stuhlgang zu sorgen. 

In den letzten Jahren ist das wissenschaftliche Interesse für das Dickdarm-Milieu unter einem neuen Aspekt neu erwacht. Das Augenmerk liegt auf der Besiedelung des Darmes mit allerlei Mikroben.

Statt Darmflora sagt man heute Mikrobiota

Unser Organismus beherbergt eine gigantische Anzahl von mikrobiellen «Gästen» (Bakterien, Viren, Pilzen und Protozoen), die wohlgemerkt nicht etwa schaden, sondern für unsere Gesundheit nützlich sind – solange sie ihr Dasein in einer ausgewogenen Zusammensetzung fristen können. Konkret spricht man von rund 100 Billionen, die in unserem Körper Wohnrecht geniessen. 

Diese bunte Truppe trägt die Bezeichnung Mikrobiota, früher sprach man von Darmflora, doch dieser Begriff ist unpräzis, da nicht nur der Darm von Mikroben besiedelt ist. Diese sind nun sogar in den Rang eines Organs befördert worden. Die Mikroben üben eine derzeit noch unüberschaubare Anzahl von Stoffwechselfunktionen aus. Überdies stehen sie in einem höchst komplexen Austausch mit dem Wirt. 

Viele Fragen drehen sich um das Thema, inwiefern Störungen des Mikrobioms zu Erkrankungen des Menschen führen können. Die Forschung steckt hier noch ganz in den Anfängen. Ein Zusammenhang zu zahlreichen häufigen Krankheiten wird diskutiert – von krankhaftem Übergewicht bis zur Depression. Ob zur Beeinflussung der Mikrobiota die Darmreinigung eher nützlich oder schädlich ist, kann aus wissenschaftlicher Sicht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden.

Antibiotika mit lebensbedrohliche Folgen

Der eindeutigste Zusammenhang zwischen einer Störung der Mikrobiota und einer Krankheit betrifft den Antibiotika-assoziierten Durchfall. Die Antibiotika-Einnahme kann unter gewissen Umständen einem darmschädigenden Bakterium (Clostridium difficile) einen Vermehrungsvorteil verschaffen. Schlimmstenfalls resultiert daraus eine schwere, manchmal lebensbedrohliche Dickdarmentzündung. 

Zur Behandlung setzt man ein weiteres Antibiotikum ein, welches sich gezielt gegen C. difficile richtet. Nicht selten kommt es aber nach Absetzen zu Rückfällen. 

Interessanterweise besteht dann die Reservebehandlung zur Wiederherstellung des Mikrobiota-Gleichgewichts nicht etwa in einer Darmreinigung, sondern in einer weiteren Darmverschmutzung, in Form einer Stuhltransplantation. Dabei wird von einer gesunden Spenderperson Stuhl gewonnen, verflüssigt und via Endoskop in den Darm des Patienten eingebracht. Das ist sicher eine etwas gewöhnungsbedürftige Therapie, sie hat aber eine sehr hohe Erfolgschance!

Ratgeber: Dr. med. Dominique Criblez, Facharzt für Gastroenterologie und Chefarzt ad personam
Quelle: Luzerner Zeitung vom 18.03.2019

Zum Thema

Artikel teilen

Für LUKS-Newsletter anmelden

Wählen Sie Ihre Abonnements

War diese Seite hilfreich?