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Der unermüdliche Unfallchirurg tritt ab

Luzerner Zeitung - Er ist Chirurg, Lehrer, Macher. Mehr als 20 Jahre stand Reto Babst im Operationssaal und hat nebenher zahlreiche Projekte lanciert. Ende Monat geht der 65-Jährige in Pension - eigentlich.
2. Mai 2019
Lesezeit: 4 Minuten
reto babst luzerner zeitung

Chirurg Reto Babst (65) im von ihm lancierten Trainingslabor. Bild: Manuela Jans-Koch (Luzern, 26. April 2019)

Wir sind mitten im Gespräch, als Reto Babsts Telefon klingelt. Er wird im Operationssaal gebraucht. «In fünf Minuten», teilt er mir mit, als der den Hörer auflegt. Ich stelle die letzten Fragen im Stakkato; Reto Babst beantwortet sie ruhig und bedächtig. Kein Anflug von Stress. «Es geht nicht um Leben und Tod», meint der Unfallchirurg pragmatisch. Reto Babst war Leiter der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Luzerner Kantonsspital (Luks) und bis Ende Januar Departementsleiter Chirurgie. Ende Mai geht der 65-Jährige, der mit seiner Frau in Kriens wohnt, in Pension. Die letzten 21 Jahre hat er am Luks verbracht, davon viel Zeit im Operationssaal. Auf Babsts Operationstisch landeten die schlimmsten Unfallopfer. Arbeitsunfälle, Autokollisionen, Gleitschirmabstürze, Töff-Unfälle «und in den letzten Jahren vor allem auch E-Bike-Unfallopfer», wie er sagt. Es sind die Unglücke, die das Leben eines Patienten meist drastisch verändern. Auch bei Babst, der in seiner Karriere mehrere tausend Patienten betreut hat, blieben solche Geschichten im Gedächtnis haften.

Die Erinnerung kommt meistens hoch, wenn wieder ein ähnliches Schicksal vorliegt.

Prof. Dr. med. Reto Babst, Leiter Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

Dass die Geschehnisse ihn nach Hause begleiteten, sei selten vorgekommen. Er könne sehr gut abschalten. «Am besten gelingt mir das in der Sauna.»

Trainings abseits des hektischen Alltags

Als Unfallchirurg reparierte er meistens Knochenbrüche. Am Tag unseres Treffens hatte er unter anderem zwei gebrochene Sprunggelenke und eine Hüftpfannenfraktur wieder hergestellt. Er «bastle» gerne, wie er seine Arbeit etwas salopp bezeichnet. Basteln trifft es ziemlich gut, wie ein Blick ins Skills-Lab zeigt. Dieses ist ein Simulationszentrum für Aus-, Weiter- und Fortbildung für Studenten und Fachärzte. Dort absolvieren sie Trainings ausserhalb des hektischen Klinikalltags. Wenige Stunden zuvor haben Ärzte hier an anatomischen Präparaten verschiedene Knieprothesen eingesetzt. Zahlreiche Prothesen liegen nach dem Anlass ordentlich in Kisten verstaut auf den Tischen. Das Ganze gleicht daher auf den ersten Blick eher einer Werkstatt als einem Operationssaal. Einzig die typischen Leuchten weisen auf einen Operationssaal hin. Das Angebot, welches internen und externen Fachkräften zur Verfügung steht, kam auf Initiative von Reto Babst zu Stande. «Das ist sozusagen ein Kind von mir.» Die Teilnehmer können realitätsnah manuelle interventionelle Fähigkeiten trainieren. «Durch das Üben von Handgriffen und die Simulation von Operationen an anatomischen Präparaten erhöhen wir die Kompetenz und damit die Sicherheit der Patienten.»

Lehrer im Labor und bei realen Operationen

Weil Reto Babst die Ausbildung der Mediziner eine Herzensangelegenheit ist, hat er sich das Skills-Lab für das Fotosujet ausgesucht. «Es ist einfacher und bereitet mehr Freude, wenn man einen Berg mit einem Bergführer besteigt», sagt er zu seinen Coachingtätigkeiten. «Ein Bergführer vermittelt Sicherheit, unterstützt in schwierigen Phasen und freut sich über gemeinsame Erfolge.» Ein Coach ist Babst auch bei realen Operationen. «Es ist etwas vom Schönsten, wenn man Hand in Hand eine Operation durchführen kann», schwärmt er und vergleicht es mit einem vierhändigen Klavierspiel. «Wenn jede Hand das tut, was nötig ist, und dies mit Leidenschaft ausführt, dann entsteht sozusagen eine Symphonie».

Weggefährten von Babst, wie etwa alt Regierungsrat Markus Dürr, betonen vor allem sein unermüdliches Engagement. Der Chirurg sei ein Macher, einer der das Spital vorwärts gebracht habe. Ein Beispiel dafür ist das TraumaNetzwerk Zentralschweiz. Dieses hat zum Ziel, die Behandlungskette vom Transport ab dem Unfallort über den Schockraum bis hin zum Spitalaufenthalt zu optimieren. Babst sagt zu dieser Errungenschaft: «Die bestmögliche Versorgung muss nicht per se bedeuten, dass der Patient im grössten Spital betreut werden muss. Das Wohl des Patienten steht im Fokus und mit einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der Zentren untereinander, kann dem Rechnung getragen werden.» Heute besteht das Netzwerk aus neun Traumazentren in der Zentralschweiz.

Reto Babst trägt viele Hüte: Er ist Chefchirurg, Lehrer, Macher - und übernimmt in allen Bereichen eine grosse Verantwortung. «Die abwechslungsreiche Arbeit macht mir unglaublich viel Freude und ich werde sie vermissen.» Für den umtriebigen Chirurgen ist auch mit der Pension noch nicht ganz Schluss. Er wird weiter für das Luks tätig sein - vor allem in der Aus-, Weiter- und Fortbildung, also im Skills-Lab sowie für den Medical Master an der Universität Luzern. Und was noch? Babst zählt diverse medizinische Projekte auf, wie etwa jenes in Äthiopien, wo er den einheimischen Ärzten das chirurgische Handwerk beibringt. Zudem wird er künftig noch einmal in der Woche selber am Operationstisch im Luks stehen und bei komplexen Fällen assistieren. Und abgesehen von der Medizin? Er überlegt. «Mehr Zeit für die Familie und Sport», sagt der Vater dreier erwachsener Kinder und Grossvater zweier Enkel.

Etwa 15 Minuten sind seit dem Telefonanruf vergangen. Jetzt steht Reto Babst auf. Im «Ops» warten schliesslich seine Kollegen auf ihn. Beim Verlassen seines Büros drückt er mir die Einladung zum Abschiedssymposium in die Hand. Darauf steht: «Never stop learning.»

Autorin: Yasmin Kunz
Quelle: Luzerner Zeitung vom 02.05.2019

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