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Diabetesprojekt in Tansania

D-Journal - Im Sommer 2017 haben wir, die Abteilung Diabetologie am Luzerner Kantonsspital, zusammen mit SolidarMed das Projekt «Schwangerschaftsdiabetes in Tansania» gestartet. Das Projekt wird finanziell ermöglicht durch ESTHER Switzerland* und koordiniert durch das DEZA
2. August 2018
Lesezeit: 5 Minuten
Das Dorf Lugala.

Diabetes in Afrika?

In unserer Wahrnehmung ist Afrikas Gesundheit vor allem durch Infektionskrankheiten dominiert, allen voran HIV/AIDS und Malaria. Tatsächlich ist es aber beispielsweise in Tansania gelungen, durch die kostenlose Abgabe von AIDS-Medikamenten die Häufigkeit auf unter 5 % zu senken. Malaria fordert dagegen einen immer noch sehr hohen Preis in Afrika, wo 90 % der weltweiten MalariaErkrankungen (über 200 Millionen pro Jahr) und -Todesfälle (rund 450 000 pro Jahr) stattfinden. Die «Pandemie» Diabetes hat mittlerweile auch Afrika erreicht: Aktuell werden rund 20 Millionen Menschen mit Diabetes in Afrika gezählt (rund 5 % der Bevölkerung), und in grossen städtischen Ballungszentren ist die Häufigkeit von Übergewicht und Typ-2-Diabetes durchaus vergleichbar mit Europa und den USA. Die WHO schätzt, dass sich die Diabetespopulation in Afrika in den nächsten 15 Jahren verdoppeln wird! Das hat dazu geführt, dass Hilfswerke wie SolidarMed zunehmend auch sogenannte NCDs (no-communicable diseases = nicht-Infektionskrankheiten) in ihre Agenda aufnehmen, und hier kam der Kontakt zur Diabetologie des Luzerner Kantonsspitals zustande. Gerade für Diabetes und Bluthochdruck macht das Sinn, weil diese Krankheiten bei Menschen in Afrika (genetisch bedingt) einen aggressiveren und schwerer wiegenden Verlauf nehmen. Oder anders formuliert: Mit der Eindämmung der AIDS-Epidemie ist die Lebenserwartung in Tansania wieder auf 58 bis 60 Jahre gestiegen, aber gerade im Alter von 30 bis 50 Jahren sind nun Folgekrankheiten des Bluthochdrucks (wie Hirnschlag und Herzinfarkt) und des Diabetes (Nierenversagen und diabetische Gangrän) in rund 20 % Todesursache. Noch schwieriger ist die Situation für Menschen in Afrika mit Typ1-Diabetes: Insulin ist eigentlich nur in den Städten verfügbar, d. h. rund 80 % der Bevölkerung in Tansania haben kaum Zugang zu Insulin, und entsprechend ist die Diabeteseinstellung ungenügend (eine kürzliche Erhebung in Dar-es-Salaam ergab ein Durchschnitts-HbA c von über 11 %), und die Mortalität ist hoch.

Ziel unseres Projekts

Erstes Ziel war der Wissenstransfer bezüglich Diabetes: Dazu gingen Luzerner nach Lugala, und umgekehrt kamen Hebammen und Ärzte aus Tanzania ins Luzerner Kantonsspital; zweites Ziel war die Einführung eines Tests für die Diagnose des Schwangerschaftsdiabetes, und drittes Ziel die Instruktion zur Therapie des Schwangerschaftsdiabetes.

Tansania

*Die internationale Allianz ESTHER wurde 2002 gegründet und ist ein Netzwerk von Gesundheitsorganisationen von 12 europäischen Staaten (die Schweiz ist Mitglied seit 2011) mit dem Ziel, Partnerschaften zu gründen zur Gesundheitsförderung in einkommensschwachen Ländern: Zurzeit unterstützt ESTHER über 500 derartige Partnerschaften in fast 50 Ländern. In unserem Projekt ist das Luzerner Kantonsspital und SolidarMed Partner des Lugala Hospitals im Süden von Tansania.

Stationäre Abteilung im Lugala Hospital
Stationäre Abteilung im Lugala Hospital

Unsere Reise nach Lugala

Spatabends landeten wir in Dar-es-Salaam, wo uns Dr. Peter Hellmold, der Chefarzt des Lugala Hospitals, und der Fahrer Thomas erwarteten. In einem alten Toyota Landcruiser begann eine zweitagige Fahrt (meistens auf Sandpisten) ins Landesinnere, die uns viele Eindrucke vom landlichen Leben in Tansania gab. Vor allem aber wie die Menschen, obwohl meistens sehr arm und zu Fuss oder in überfullten Bussen unterwegs, positiv waren und viel gelacht haben Wir waren ziemlich rasch im Lugala Hospital «zuhause», zum einen weil die Menschen sehr offen und freundlich waren, zum anderen weil uns Dr. Hellmold vieles zeigte und erklärte. Wir waren tief beindruckt von der medizinischen Leistung, die in diesem kleinen Hospital erbracht wird (fast am Ende der Welt), und wie verschieden die Notfälle und Operationen waren verglichen mit unserem Kantonsspital: Über 80 % der am Morgenrapport vorgestellten Patienten waren Kinder mit komplizierter Malaria, fast alle übrigen Notfälle waren Frauen mit Schwangerschaftskomplikationen. Zwar ist das Hospital sehr gut organisiert mit Mutter/Kind-Abteilung, Apotheke, Labor, ambulanter Sprechstunde und stationären Abteilungen, aber dennoch eine andere Welt! Die Kranken warten auf langen Bänken bis sie an der Reihe sind, alle Untersuchungen und Medikamente müssen bar bezahlt werden, und es gibt ein Bett und ein Moskitonetz für die Hospitalisierten (für Essen und Bettwäsche sorgen die Angehörigen). Was wir zudem «mitgenommen» haben aus Lugala: Zum einen das Bild der buntgekleideten Frauen, die für alles schauen, die Familie zusammenhalten, am offenen Feuer kochen, die Kinder grossziehen ..., und zum anderen die Lehmhütten mit all den Parasiten und Würmern, die der Grund dafür sind, dass bei über einem Drittel der Kinder in Tansania ein «Stunting» besteht (= verlangsamtes Wachstum und Entwicklung), und zum dritten, wie auch unter schwierigen Verhältnissen und heissen Temperaturen Insulin aufbewahrt werden kann (siehe Bild oben).

Frauen beim Kochen für hospitalisierte Angehörige
Frauen beim Kochen für hospitalisierte Angehörige
Das Dorf Lugala.
Das Dorf Lugala.
Auf dem Weg nach Lugala, im Suden Tansanias
Auf dem Weg nach Lugala, im Suden Tansanias
Zwei Plastikeimer mit Kohle bzw. Sand und wenig Wasser zur Aufbewahrung des Insulins. Die Eimer werden nach jeder Injektion vergraben.
Zwei Plastikeimer mit Kohle bzw. Sand und wenig Wasser zur Aufbewahrung des Insulins. Die Eimer werden nach jeder Injektion vergraben.

Die Tansanier in Luzern

In Sinne des gegenseitigen Austausches kamen im Herbst 2017 drei Hebammen und drei Ärzte ins Luzerner Kantonsspital, wo wir in der Abteilung Diabetologie einen zweiwöchigen Intensivkurs zu Grundwissen, Diagnose und Therapie des (Schwangerschafts-)Diabetes vorbereitet hatten. Wir holten unsere Gäste am Flughafen Zürich ab, wo sie erste Erfahrungen mit Schweizer Bräuchen machen konnten, z. B. dass alle Züge pünktlich abfahren, und dass sich Schweizer mit Handy und Laptop beschäftigen und weniger mit Mitmenschen. Jeden Tag haben wir den Tansaniern die Schweiz näher gebracht; wir haben zusammen den Pilatus bestiegen, einen modernen Bauernhof und eine Kläranlage besucht, im Aeschbacher selber Schokolade produziert, oder im IMAX «Wildlife Africa» bestaunt ... Am meisten Eindruck hat unseren Gästen gemacht, dass man in der Schweiz für Kühe «Häuser» baut und Hahnenwasser trinken kann.

Cornelia Wiederkehr und Anita in der Diabetologie. Luzerner Kantonsspital
Cornelia Wiederkehr und Anita in der Diabetologie. Luzerner Kantonsspital
Christoph Henzen und Dr. Lusekelö in der Diabetologie-Sprechstunde des LUKS.
Christoph Henzen und Dr. Lusekelö in der Diabetologie-Sprechstunde des LUKS.

Ergebnisse nach einem Jahr

Durch unseren Austausch wurde zunächst das Bewusstsein für den Schwangerschaftsdiabetes, und dessen relevante Folgen für Mutter und Kind, gestärkt. Alle schwangeren Frauen, welche im Spital in Lugala in Behandlung sind, werden nun seit einem Jahr auf Diabetes untersucht, dies mit dem sogenannten «oralen Glukosetoleranztest». Süssgetränke sind in Lugala gänzlich unbekannt und deren Konsum im Rahmen unseres Screenings eine neue Erfahrung. Bis anhin wurden rund 300 schwangere Frauen auf Diabetes untersucht, ein Schwangerschaftsdiabetes konnte bei allen ausgeschlossen werden. Dies ein weiterer grosser Unterschied zu unseren Breitengraden.

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Autor: Prof. Christoph Henzen

Quelle: D-Journal vom 02.08.2018

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