Direkt zum InhaltDirekt zum Fussbereich

Eine Herzensangelegenheit

Willisauer Bote - Florim Cuculi ist Co-Chefarzt Kardiologie am Luzerner Kantonsspital. Vor 28 Jahren aus Mazedonien in die Schweiz immigriert, hat er sich von der Realschule bis zum Doktortitel hochgearbeitet.
24. April 2019
Lesezeit: 7 Minuten
Dr

Piep. Piep. Piep. Die Herzfrequenz ist stabil, die Patientin bei Bewusstsein. Auf dem grossen Monitor im hell beleuchteten Herzkatheterlabor des Luzerner Kantonsspitals sind etliche Diagramme ersichtlich, dazu pulsierende schwarz-weiss-Aufnahmen. Florim Cuculi blickt weder auf die Punktionsstelle am Arm der Patientin, über die er mittels Kunststoffdraht am Herz arbeitet, noch auf das Werkzeug in seiner Hand. Die markanten dunklen Augenbrauen verharren regungslos über den konzentriert auf den Bildschirm blickenden Augen, der Mund ist leicht geöffnet. Später wird er erklären, dass die Intervention aufgrund der starken Verkalkung der Herzkranzgefässe äusserst schwierig gewesen sei. «Zu viel Risiko und es kann etwas aufreissen, zu wenig Druck auf die Verkalkung und das Problem ist nicht gelöst.» Zum Zeitpunkt des Eingriffs aber lässt sich Cuculi die Anspannung nicht anmerken. Mit einem feuchten Tuch wischt er sich den Schweiss von der Nase und das Blut von den verschmierten Handschuhen. Die Konzentration ist förmlich greifbar, bis die Spannung gegen Ende der Operation mit einem Mal abfällt. Hier ein Witzchen, da ein Spruch. Florim Cuculi ballt die Faust, nickt, hebt den blutverschmierten Daumen des weissen Handschuhs und sagt in Richtung Patientin, aber vor allem zu sich selbst: «Sieht sensationell aus, schönes Resultat, super.» Und dies, obwohl es alles andere als einfach war. Zwei Sätze, welche die Überschrift für sein Leben sein könnten.

Vom «Bürger zweiter Klasse» zum Lebensretter

Florim Cuculi ist 1977 in zur Welt gekommen, einem kleinen Städtchen im bergigen Westen Nordmazedoniens. Trotz ärmlichen Verhältnissen hatte er eine glückliche, aber nicht immer leichte Kindheit. Aufgrund seiner albanischen Herkunft wird er als «Bürger zweiter Klasse» angesehen. Zudem wächst Florim ohne seinen Vater auf - Verwandte haben Bajram Cuculi bei der Bau AG in Reiden Arbeit verschafft. Nach vier Saisons als Gastarbeiter erhält er eine Jahresaufenthaltsbewilligung, holt erst seine Frau und mit Ausbruch des Jugoslawienkrieges 1991 auch Florim und seinen drei Jahre jüngeren Bruder Fatmir in die Schweiz. «Ich war nicht erfreut», sagt Cuculi, «denn ich wollte unbedingt studieren und später Arzt werden. Diesen Traum sah ich in der Schweiz gefährdet.» Florim spricht kein Wort Deutsch, kann sich an seinem ersten Schultag nur auf Französisch mit den Lehrern verständigen. Doch sein Wille und die Umstände, dass er keine Freunde hat, geben ihm die Möglichkeit, viel Zeit ins Lernen zu investieren. Bereits nach einem halben Jahr beherrscht er die Sprache, arbeitet sich von der Realschule über die Sek bis hinauf zur Kanti. Heute ist er Co-Chefarzt Kardiologie am Luzerner Kantonsspital. «Es war nicht immer einfach, aber es hat sich gelohnt.» Florim Cuculi drückt auf die Taste mit der 14, die Lifttür schliesst sich. Auf der Station der Privatversicherten steht die Visite eines betagten Patienten an, der gestern noch auf der Intensivstation lag. «Er hatte Wasser auf der Lunge, das kommt von einer undichten Herzklappe», sagt Cuculi, bevor er an die Tür klopft und den Raum betritt. «Es führen viele Wege nach Rom», erläutert er dem Patienten und dessen Angehörigen die Möglichkeiten, bevor er die aus seiner Sicht beste Variante vorschlägt. Das Handy klingelt - einmal mehr - Florim Cuculi ist ein gefragter Mann. «Alles klar, bereite du schon mal alles vor», spricht er ins Telefon und schreitet zur Tür hinaus auf den Gang. «Ein Notfall, Verdacht auf Herzinfarkt.» Auf dem Weg zum Büro der Assistenzärzte begegnet Cuculi einem Patienten, dem er vor einer Woche einen halben Liter Wasser aus dem Herzen gezogen hat. Die beiden klatschen ab, ein Küsschen links, ein Küsschen rechts, tauschen einige Worte auf Albanisch aus. Dann gehts weiter, wieder in den Lift, 2. Stock. Florim Cuculi ist viel herumgekommen, studierte in Basel und Oxford, machte Praktikas in Übersee. Er spricht fliessend Deutsch, Englisch und Albanisch, dazu gebrochen Französisch, Serbokroatisch, Mazedonisch. Er hat eine Frau und zwei Söhne, ein Haus in Geuensee. «Heimat?» wiederholt er die Frage und überlegt lange, «Heimat ist ein schwieriges Wort. Je älter ich werde, desto weniger weiss ich, wo ich wirklich daheim bin.» Früher wollte er unbedingt «schweizerischer sein als der Schweizer, dazugehören. Damit habe ich aufgehört. Heute will ich einfach nur Florim sein.» In gewissen Situationen sei er schweizerisch, in anderen albanisch. «Die Begrüssung beim Patienten mit Handschlag», spricht er die Begegnung auf dem Gang an, «war sehr persönlich und herzlich, typisch albanisch.» Das Gespräch mit dem betagten Mann und seinen Angehörigen beschreibt Cuculi hingegen als schweizerisch. Vor- und Nachteile abgewogen, trocken, strukturiert, nüchtern. «Ich kombiniere häufig im Alltag, bin weder ganz der eine noch der andere, das ist ein Teil meines Erfolges als Arzt: die Kombination aus Empathie und Präzision.» Was auch zu seinem Erfolg beiträgt ist der Durchhaltewillen. 70 Stunden beträgt sein Wochenpensum, nicht selten sogar 80. Vor Kurzem eröffnete er in Zusammenarbeit mit dem Luzerner Kantonsspital eine kardiologische Praxis in der Stadt. Dort führt er zusätzlich zu den Eingriffen im Spital Herzuntersuchungen, Besprechungen, EKG und Nachkontrollen durch.

Das Versprechen des Co-Chefarztes

Es ist Nachmittag, halb vier. Seit acht Uhr in der Früh steht Florim Cuculi ununterbrochen unter Strom. Sechs Eingriffe liegen hinter ihm, drei Patienten werden ihr Herz heute noch in seine Hände legen. Mehreren Hundert Menschen hat er bereits das Leben gerettet, Cuculi kann sich nur an die schwierigen Interventionen oder die für ihn speziellen Patienten erinnern. Wenn diese jung sind, selber Kinder haben. Oder er sie persönlich kennt. «Ich kläre meine Patienten klar auf, verschweige keine Sachen», sagt Cuculi. «Wenn immer möglich, gebe ich den Patienten ein Versprechen, dass wir gemeinsam einen Weg finden und ich sie durchbringe.» Nicht immer kann er sein Versprechen halten. Auch dies musste er lernen. «Dass Sachen anders laufen als geplant, liegt in der Natur der Sache.» Schwere Komplikationen respektive Todesfälle könne er an zwei Händen abzählen. Umso mehr gehen ihm diese nah. Auch heute noch, obwohl er gelernt hat, das Ganze sachlicher zu betrachten. «Ich gebe immer mein Bestes und versuche alles in meiner Macht Stehende, um den Leuten zu helfen.» Während er erzählt, öffnet sich die Tür zum Büro: «Sie sind da.» Sowohl Florim Cuculi als auch sein Assistent Federico Moccetti springen auf, streifen sich Bleischürze, -weste und -kragen über und treten ins Herzkatheterlabor. «Sie sind von Littau und ab und zu im (Ochsen> - dann kennen Sie sicher Seppi?», fragt Cuculi den Patienten, während die Intervention vorbereitet wird. Der Mann mit dem Herzinfarkt verneint. «Doch, doch, den kennen Sie sicher, ich zeige Ihnen nachher ein Foto von ihm.» Eine Konversation, die dem Patienten die Nervosität nehmen soll, die Spannung bei den Verantwortlichen aber nicht mindert. Der Eingriff beginnt mit dem Setzen der Punktionsstelle. Florim Cuculi schiebt einen dünnen Kunststoffdraht bis zum Herzen, sieht die Verengung der Arterie. «Sie machen das sehr gut.» Ein Satz von Florim Cuculi an den Patienten gerichtet, der umgekehrt besser passen würde. Der Chefarzt hält die Pumpe mit der linken Hand fest, dreht mit der rechten am Rädchen. Einmal, zweimal, dreimal - klack. Mehrmals wiederholt er diesen Vorgang und erhöht so den Druck des sich mittlerweile in der Arterie befindenden Ballons, der die Verengung beheben und das Blut wieder ungehindert vom Herzen wegfliessen lassen soll. Nach nicht einmal einer Stunde ist der Eingriff beendet. «Es war ein richtiger Herzinfarkt», sagt Florim Cuculi Richtung Patient. Später wird er ihm noch das Foto von Seppi zeigen. 

Sechs goldene Regeln für ein gesundes Herz

Studien zeigen: Bis zu 80 Prozent der Schlaganfälle und gar 90 Prozent der Herzinfarkte könnten mit einer Veränderung des Lebensstils verhindert werden. Folgende Punkte helfen dabei.

Weg mit dem Übergewicht: Studien zeigen, dass Bauchfett das Herzinfarktrisiko markant erhöht: Bei Männern ab 94 cm Bauchumfang, bei Frauen bereits ab 80 cm.

Stress vermeiden: Vor allem chronischer Stress belastet Herz und Kreislauf massiv. Sorgen Sie für Ausgleich im Alltag, am Wochenende und bei der Jahresplanung. Bewegung: Schon ein täglicher Spaziergang von zehn Minuten verringert das Herzinfarktrisiko um 20 Prozent. Auch die konsequente Benützung von Treppen anstelle des Lifts haben nachweislich einen sehr positiven Effekt auf die Herzgesundheit.

Richtige Ernährung: Verzehren Sie weniger Salz, Zucker und Fettsäuren, also weniger Fleisch, Wurst, Butter und Palmöl. Die mediterrane Küche ist aufgrund ihres hohen Gemüse-, Obst- und Fischanteils besonders empfehlenswert. Eine ideale Ergänzung sind Vollkornprodukte. Und nicht vergessen: Genug trinken! Aber kein Alkohol, denn der stellt in jeder Art und Menge ein Gesundheitsrisiko dar.

Rauchstopp: Dass Rauchen Lungenkrebs verursacht, ist bekannt. Zudem schädigt der Genuss von Tabak das Herz und das ganze Herz-Kreislauf-System. Experten gehen davon aus, dass jede Zigarette das Leben um fast eine halbe Stunde verkürzt.

Blutdruck und Blutwerte kennen: Nur wer seine Werte regelmässig messen lässt, erkennt negative Veränderungen rechtzeitig und kann etwas dagegen unternehmen. 

Autor: Pascal Vogel
Quelle: Willisauer Bote vom 12.04.2019

Artikel teilen

Mehr zum Thema

Für LUKS-Newsletter anmelden

Wählen Sie Ihre Abonnements

War diese Seite hilfreich?