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Luzerner Chefarzt vermittelt Diabetes-Wissen in Afrika

Luzerner Zeitung - Am 14. November ist Weltdiabetestag. Die so genannte Wohlstandserkrankung Diabetes Typ 2 macht auch vor Drittweltländern keinen Halt. Immer mehr Menschen sterben in Afrika an einer unbehandelten Diabetes. Chefarzt Christoph Henzens Mission: Bewusstsein schaffen für die Zuckerkrankheit.
14. November 2018
Lesezeit: 6 Minuten
Die beiden Ärzte Emmanuel Chogo, vom Spital Lugala in Tansania, und Christoph Henzen vom Luzerner Kantonsspital auf der Intensivstation in Luzern. (Bild: Dominik Wunderli (Luzern, 13. November 2018))

Die beiden Ärzte Emmanuel Chogo, vom Spital Lugala in Tansania, und Christoph Henzen vom Luzerner Kantonsspital auf der Intensivstation in Luzern. (Bild: Dominik Wunderli (Luzern, 13. November 2018))

Knapp 7000 Kilometer liegen zwischen Luzern und Lugala. Trotzdem stehen die Spitäler – das Luzerner Kantonsspital (Luks) und das Spital Lugala im südlichen Tansania – in einem engen Austausch. Das Luks und das Partnerspital von SolidarMed in Lugala haben im Frühling 2017 gemeinsam eine Partnerschaft gegründet mit der Unterstützung von «Esther » Switzerland.

Die Krankheiten in Lugala unterscheiden sich grundsätzlich von jenen in Luzern. In Lugala suchen Patienten in der Regel das Spital auf, wenn sie an Malaria oder Durchfall erkrankt sind. Eine Gemeinsamkeit haben sie dennoch: Die chronische Krankheit Diabetes Typ 2 (siehe Kasten ganz unten).

Im Kanton Luzern sind etwa 18'000 Personen von Diabetes Typ 2 betroffen. Schweizweit sind es bis zu 400'000. Wie viele in Tansania an Diabetes leiden, ist unklar, da eine entsprechende Erhebung fehlt. Fest steht aber: Es werden jedes Jahr mehr.

Schwangerschaftsdiabetes: Mit wenig Mittel viel erreichen

Christoph Henzen (58), Departementsleiter Medizin und Chefarzt Endokrinologie-Diabetologie am Luzerner Kantonsspital, war im August für zwei Wochen in Lugala.

Dabei hat er sein Wissen als Spezialist für Schwangerschaftsdiabetes weiter vermittelt. «Das Ziel war insbesondere, Diabetes auf die medizinische Landkarte zu bringen. Und bei der Schwangerschaftsdiabetes kann man mit relativ wenig Mitteln grossen Nutzen generieren», wie er sagt.

Den schwangeren Frauen muss zweimal Blut abgenommen werden, um die Zuckerwerte zu bestimmen. Manifestiert sich ein Schwangerschaftsdiabetes, kann er mit Tabletten oder Insulin behandelt werden. Unbehandelt hat die Krankheit schwerwiegende Folgen für das ungeborene Kind. So können Geburtsfehler entstehen. Zudem besteht das Risiko, dass das Kind sehr gross und schwer ist, was eine Geburt erschwert und es kann nach der Geburt zu schweren Unterzuckerungen kommen. Im schlimmsten Fall kann das Kind sterben.

Diabetes ist der «stille Killer», weil er lange symptomlos verläuft

Während in der Schweiz bei schwangeren Frauen die Abklärung des Diabetes zur Grunduntersuchung gehört, sind solche Tests in Tansania ein Novum. Christoph Henzen stellte bei seinen Untersuchungen in Lugala allerdings fest, dass – zumindest im ländlichen Teil von Tansania – nur eine Handvoll Frauen an Schwangerschaftsdiabetes erkrankt sind.

Das weitaus grössere Problem sind aber Personen ab 30 Jahren. Henzen: «Die Zahl der übergewichtigen Personen nimmt zu und damit steigt auch die Zahl der Menschen, die einen Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck entwickeln.» Nur ist das Bewusstsein für die Krankheit noch wenig ausgeprägt. Das hängt auch damit zusammen, dass die Krankheit jahrelang symptomlos verläuft, den Körper aber während dieser Zeit kontinuierlich schädigt. Henzen nennt es den «stillen Killer».

Wer in Afrika an Diabetes Typ 1 erkrankt, hat schlechte Überlebenschancen.

Christoph Henzen, Chefarzt am Luzerner Kantonsspital

Darum kommen die meisten Diabetes-Patienten erst dann ins Spital, wenn es schon fast zu spät ist und bereits gravierende Folgeerkrankungen eingetreten sind. Das können etwa defekte Nieren, ein Schlaganfall oder eine Blutvergiftung in Folge offener Wunden sein. Dabei, so Henzen, könnte man bei frühzeitiger Diagnose diese Krankheit mit einer Veränderung des Lebensstils und mit Tabletten gut behandeln.

Anders sieht es bei Diabetes Typ 1 aus – der angeborenen Zuckerkrankheit: Um diese zu behandeln, braucht der Patient Insulin und dieses Medikament muss kühl gelagert werden. «Bei 40 Grad und ohne Kühlschrank ist das fast unmöglich. Wer in Afrika an Diabetes Typ 1 erkrankt, hat meist schlechte Überlebenschancen», sagt Henzen.

Spital Lugala: Sieben Ärzte auf 167 Betten

Emmanuel Chogo ist Arzt am Spital Lugala und kennt die Problematik mit Diabetes. «Unser Lebensstil in Afrika hat sich gewandelt. Fettiges Essen und Süssgetränke gehören heute zum Alltag, sind zum Teil auch Ausdruck von Reichtum.» Ebenso würden die Menschen sich heute weniger bewegen. Übergewicht und zu wenig Bewegung begünstigen Diabetes. Chogo weiss Bescheid, auch dank der Unterstützung von Christoph Henzen.

Diese Woche ist Emmanuel Chogo im Luzerner Kantonsspital, um noch mehr über die Behandlung dieser Krankheit zu erfahren. «Unser Spital in Afrika umfasst 167 Betten, wir sind sieben Ärzte. Wir können demzufolge gar keine Spezialisten ausbilden. Wir sind alles Generalisten», erklärt der 38-jährige Arzt die Situation in Lugala. Zum Vergleich: Das Spital Sursee zählt ähnlich viele Betten, hat aber rund zehnmal mehr Ärzte. Darum sei es für ihn ein immenser Profit, wenn er von Henzen lernen könne.

Die meisten Tansanier können die Abklärung und Behandlung nicht zahlen

Das angeeignete Wissen – etwa wie man Diabetes erkennt, behandelt und worauf man nach der Diagnose achten muss – wird er in seinem Heimatspital weitergeben und die sechs Hebammen und Assistenten vom Lugala Hospital, die bereits 2017 am Luzerner Kantonsspital geschult wurden, unterstützen.

Dennoch glaubt der zweifache Familienvater nicht, dass er künftig mehr Diabetes behandeln wird. «Das Problem sind die Kosten. In Tansania hat man keine Krankenversicherung und muss daher alles selber berappen. Wenn ich also einem Patienten, der etwa wegen Malaria ins Spital kommt, rate, den Zuckerspiegel zu messen, dann lehnt er ab, weil ihm das Geld für den Untersuch fehlt.» Manchmal kämen Patienten Tage später mit dem inzwischen beschafften Geld zurück, um sich doch noch testen zu lassen. Doch dann stünden sie bereits vor der nächsten Hürde: Sie könnten die Behandlung nicht bezahlen.

Diabetes-Aufklärung: Schulen sind in der Pflicht

Für Emmanuel Chogo wie auch für Christoph Henzen eine eher unbefriedigende Situation. «Mit vergleichsweise einfachen Mitteln könnte man die Diagnose stellen und die Therapie anbieten, aber es mangelt den Menschen an Geld.» Chogo geht mit Henzen einig, dass es auch an Bewusstsein für Diabetes fehlt.

Während bei Malaria in den vergangenen Jahren grosse Schritte in der Prävention gemacht wurden, ist Diabetes bei der Bevölkerung noch nahezu unbekannt. Chogo nimmt hier die Schulen in Pflicht: «Wie bei Malaria müssen die Schüler auch über die Entstehung von Diabetes und deren Folgeerkrankungen informiert werden.» Denn nach wie vor sei Prävention besser als Reaktion. «Wer ein gesundes Leben führt, der hat ein kleineres Risiko an Diabetes zwei zu erkranken.»

Henzen: «Seit meinem Besuch gibt es keinen Tag mehr, an dem ich nicht glücklich bin»

Nicht nur Emmanuel Chogo hat vom Austausch profitiert. Auch Christoph Henzen konnte seinen Horizont erweitern – wenn auch nicht primär medizinischer Art: «Seit meinem Besuch in Lugala gibt es keinen Tag mehr, an dem ich nicht glücklich bin. Die Menschen dort haben mir aufgezeigt, dass man auch mit vielen materiellen Defiziten zufrieden und glücklich sein kann.»

Henzen weist ausserdem darauf hin, dass er bei einer Malariaerkrankung vorzugsweise in Lugala behandelt werden möchte. «Es gibt eine Reihe Krankheiten, die wir hierzulande nicht oder nicht mehr kennen, worin sie absolut spezialisiert sind.»

Diabetes: Zwei verschiedene Typen

Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem zerstört die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse, die normalerweise Insulin produzieren. Folglich kommt es zu einem absoluten Mangel an Insulin und die Zellen können nur noch unzureichend Glukose aufnehmen, wodurch im Blut zu viel Glukose vorhanden ist. Diabetes Typ 1 wird oft nach Beschwerden festgestellt, die durch einen zu hohen Blutzuckerspiegel im Blut verursacht werden: Durst, häufiger und verstärkter Harndrang, Mundtrockenheit sowie ein mattes, schläfriges Gefühl. Die Therapie besteht in einer lebenslangen Insulinzufuhr.

Diabetes Typ 2 wird im Volksmund auch Altersdiabetes genannt, da früher hauptsächlich ältere Menschen davon betroffen waren. Etwa 90 Prozent aller Diabetiker weisen den Typ 2 auf. Dabei setzt die Insulinproduktion verlangsamt ein. Ausserdem reagieren die Körperzellen nicht mehr so gut auf das Insulin. Diesen Umstand nennt man Insulinresistenz. Als Folge dieser Insulinresistenz muss die Bauchspeicheldrüse mehr Insulin produzieren. Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigen Diabetes Typ 2. Deshalb sollte man vorbeugend auf eine gesunde Ernährung achten und sich ausreichend bewegen.

Während Diabetes Typ 1 meistens plötzlich einsetzt, macht sich der Typ 2 langsam bemerkbar. Später, meist nach Jahren, zeigen sich ähnliche Symptome wie beim Diabetes Typ 1.

Quelle: Luzerner Zeitung vom 14.11.2018
Autor: Yasmin Kunz

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