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Tests der Genaktivität erleichtern Therapiewahl - Unnötige Chemotherapien vermeiden mit Genexpressionsanalysen

myHEALTH - Seit einigen Jahren gibt es sogenannte Genexpressionsanalysen: Sie können Aufschluss geben, über das Verhalten des jeweiligen Brustkrebses. Damit gibt es noch mehr Sicherheit in der Entscheidung über die individuelle Therapie der Patientin. Über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Tests geben zwei Experten vom Luzerner Kantonsspital Auskunft: Prof. Dr. med. Stefan Aebi, Chefarzt Medizinische Onkologie und Prof. Dr. med. Joachim Diebold, Chefarzt Pathologie.
5. Juni 2018
Lesezeit: 4 Minuten
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So viel wie nötig, so wenig wie möglich. Dieser Grundsatz hat besondere Bedeutung, wenn es bei Brustkrebs um die Therapie nach einer Operation gilt. Denn für die Patientinnen und ihre Ärzte folgt nun die schwierige Frage nach der individuellen Notwendigkeit einer Chemotherapie. Bei einem Teil der Patientinnen ist diese Frage mit den konventionellen Untersuchungsmöglichkeiten nicht zufriedenstellend zu klären. In diesen Situationen sind sogenannte Genexpressionsanalysen eine große Hilfe, sie werden von Laien fälschlicherweise auch manchmal als Gentests bezeichnet. Die Analysen der Genaktivität helfen, mehr Sicherheit in der Therapieentscheidung zu gewinnen. Wir sprachen mit den Experten Professor Aebi und Professor Diebold darüber, welche Möglichkeiten und Grenzen diese Analysen haben und inwiefern Patientinnen mit Brustkrebs von den Analysen profitieren können.

myHEALTH: Was wertet eine Genexpressionsanalyse genau aus?

Experten: Die Aktivität gewisser Genen bestimmt das Verhalten von Brustkrebs. Die Genexpressions­analyse misst die Aktivität von Genen im Brustkrebs und erlaubt damit eine Voraussage des Verhaltens des Krebses. Die Genexpressionsanalyse trägt unter anderem dazu bei, aggressi­vere von weniger aggressiven Formen von Brustkrebs zu unterscheiden. In der Schweiz sind derzeit drei verschiedene Genexpressionsanalysen erhältlich.

Eine Genexpressionsanalyse macht ja nicht bei jeder Patientin mit Brustkrebs Sinn. Bei welchen Patientinnen ist sie zu empfehlen?

Bei vielen Patientinnen ist das Vorgehen klar anhand der klassischen Merkmale wie Tumorgrösse, Befall von Lymphknoten oder Nachweis von Rezeptoren (“Empfängern”) für das Hormon Östrogen im Brustkrebs. Die verschiedenen Tests, die derzeit existieren, können dann sinnvoll sein, wenn das beste Vorgehen nicht eindeutig ist. Das trifft zum Beispiel zu bei Patientinnen mit mässig rasch wachsendem Brustkrebs, der Östrogenrezeptoren hat und die Lymphknoten der Achselhöhle nicht oder nur gering befällt. Jeder der verschiedenen aktuellen Tests ist an unterschiedlichen Patientinnen erprobt, und es gibt nicht „einen für alle“.

Wenn ein Testergebnis nun günstig ausfällt, was bedeutet das für die Patientin?

Das Risiko eines Rückfalls ist klein, z.B. weniger als 10% in den nächsten 10 Jahren. Damit ist natürlich auch das Risiko klein am Brustkrebs zu sterben.

Wie sehr können sich Patientinnen auf das Ergebnis einer Genexpressionsanalyse verlassen?

In unklaren Situationen wie den oben beschriebenen verbessert eine Genexpressionsanalyse die Einschätzung der Prognose. Allerdings unterscheiden sich die verschiedenen Tests voneinander, so dass die Abschätzung der Prognose nicht mit jedem Test genau gleich ausfällt. Die Zuverlässigkeit der Tests beruht derzeit noch auf rückblickenden Studien; sie wird sich noch verbessern lassen dank vorausblickender laufender Studien, in denen der Wert der Tests noch besser erforscht wird.

Wie häufig kann aufgrund einer Genexpressionsanalyse auf eine Chemotherapie verzichtet werden?

Einerseits können gewisse Analysen Patientinnen mit so guten Aussichten auf Heilung erkennen, dass sich die Prognose mit einer Chemotherapie kaum verbessern lässt. Andererseits gibt es einen Test, der auch bei Patientinnen mit weniger günstiger Prognose erkennen lässt, dass eine Chemotherapie nicht besonders wirksam ist. Betrachtet man alle Patientinnen, die an Brustkrebs erkranken, wird man vielleicht bei 10% wegen des Tests gegen eine Chemotherapie raten; bei der Mehrzahl der Patientinnen wird man auch ohne Test auf eine Chemotherapie verzichten, bei einer Minderheit wird man auf jeden Fall zu einer Chemotherapie raten müssen.

Offenbar bedeuten diese Analysen einen wesentlichen Fortschritt. Doch wo sind die Grenzen dieser Tests, was können sie nicht leisten?

Die Tests sind noch unzuverlässig beim Abschätzen der Wirkung moderner Chemotherapien, und sie sind noch keine Hilfe bei der Auswahl der verschiedenen Medikamente, die in der Brustkrebstherapie gebraucht werden.

Wie verbreitet sind die Genexpressionsanalysen in der Schweiz? Bieten die meisten Spitäler für Frauen mit Brustkrebs solche Tests an?

In der Schweiz sind verschiedene Genexpressionsanalysen erhältlich. Einer der Tests wird von drei Pathologischen Instituten in der Schweiz angeboten, die anderen Tests erfordern den Versand von Tumorgewebe in Labors in den USA und in der EU. Die Tests waren bisher noch nicht sehr weit verbreitet, obwohl es einfach ist, die Gewebeproben zu verschicken und das Resultat innerhalb weniger Arbeitstage eintrifft. Der Grund dafür lag in der fehlenden Vergütung dieser Analysen durch die Krankenkassen, denn für viele Patienten waren die Preise für die Tests (2.400 bis über 4.000 Franken) zu hoch, um sie aus eigener Tasche zu bezahlen. Glücklicherweise ändert sich das nun, denn seit dem 01.01.2015 vergütet die Schweizerische obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) Genexpressionsanalysen von Brustkrebsgewebe.

Ein Blick in die Zukunft: Was können wir von der Forschung hinsichtlich der Genexpressionsanalysen erwarten?

Von den bestehenden Genexpressionsanalysen ist zu erwarten, dass sie sich künftig noch besser einsetzen lassen: bei den richtigen Patientinnen, mit richtiger Interpretation des Ergebnisses. Interessanter sind aber künftige Genexpressions-, Gen- und Eiweissanalysen, mit denen sich die Wirkung einzelner Medikamente voraussagen lässt, so dass die Therapien besser als jetzt auf die einzelne Patientin abgestimmt werden können.

Quelle: myHEALTH vom 5. Juni 2018
Autor: Dr. phil. Kai Kaufmann

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