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Weltgrössen der Hörmedizin in Andermatt

Urner Zeitung - Für eine Konferenz kommen Forscher aus dem In- und Ausland nach Uri, um die neusten Erkenntnisse zur Schwerhörigkeit zu diskutieren.
16. September 2019
Lesezeit: 4 Minuten
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HNO-Chefarzt Thomas Linder ist Mitbegründer des «Hearing Forum Andermatt».

Wer schwerhörig ist und nichts dagegen unternimmt, setzt sich noch mehr Gefahren aus, als bloss seinen Ehepartner falsch zu verstehen. «Eine nicht behandelte Hörstörung im Alter steigert eindeutig das Risiko, an Demenz zu erkranken», sagt Thomas Linder. Der Zürcher ist seit 2001 Chefarzt der Hals-, Nasen- und Ohrenklinik des Luzerner Kantonsspitals und Mitbegründer des «Hearing Forum Andermatt», dessen erste Ausgabe am Freitag im dortigen Radisson-Blu-Hotel stattfindet. «Auch Depressionen oder Stürze treten häufiger auf.» Wie Letzteres genau mit der Schwerhörigkeit zusammenhängt, wisse man noch nicht. Die Forschung hierzu sei jedoch im Gange. Einer der führenden Köpfe in diesem Bereich ist Frank Lin, der am Kongress in Andermatt zu diesem Thema referieren wird. Der US-Forscher hat unter anderem herausgefunden, dass Hörgeräte bei älteren Menschen deren empfundene Einsamkeit deutlich verringern können. «Nach fünf Jahren ist der Effekt allerdings wieder weg», sagt Linder. Wieso genau, ist auch hier noch unklar. 

Trend geht in Richtung Unsichtbarkeit

Acht Experten aus dem In- und Ausland werden ihre Erkenntnisse im Bereich Hördefizite in Andermatt präsentieren. Daneben werden auch Vertreter der Hörgeräteindustrie ihre neuesten Entwicklungen vorstellen. Der Trend geht in Richtung weniger Sichtbarkeit. «Hierbei möchten wir auch diskutieren, ob man auf diesen Patientenwunsch eingehen soll, oder ob grössere und bessere Geräte nicht doch sichtbar bleiben sollen, um das Problem und die Folgen der Schwerhörigkeit nicht zu verstecken», so Linder. Bereits gebe es aber Hörimplantate, welche vollständig im Kopf integriert sind. Die Herausforderungen dabei seien zum Beispiel, wie ein Mikrofon unter der Haut nur jene Geräusche ans Gerät weitergibt, die der Träger hören möchte. «Wenn Sie schwimmen gehen oder sich am Kopf kratzen, wollen Sie das nicht unbedingt verstärkt wiedergegeben haben.» An den richtigen Filtern arbeite die Industrie derzeit. Ebenso an der Frage, wie dem Akku eines völlig im Kopf eingebetteten Gerätes am besten Energie zugeführt werden kann. «Es gibt Lösungen, bei denen es sich über einen Kopfhörer aufladen lässt.»

Wenn man merkt, dass das Gehör schlechter wird, dann sollte man auch etwas dagegen tun.

Thomas Linder, HNO-Chefarzt

Medikamente gegen Schwerhörigkeit getestet

Thematisiert wird am Forum auch, inwiefern sich Schwerhörigkeit mit Medikamenten behandeln lassen könnte. Daniel Bodmer vom Universitätsspital Basel wird hierzu seine Forschungsergebnisse präsentieren. «Er testet derzeit ein Medikament, das einen Hörsturz verhindern oder nach einem solchen das Gehör regenerieren soll», sagt Linder. Ein derartiges Medikament wäre «ein Quantensprung.» Für seine erste Konferenz hat das «Andermatt Hearing Forum» einen Ort ausgesucht, an dem sich ein gutes Hörvermögen auszahlt: Die Andermatt-Konzerthalle, die Mitte Juni eröffnet worden ist. Andermatt sei für das Forum ideal gelegen, sagt Linder. «Es befindet sich im Zentrum der Schweiz und ist somit auch für die Tessiner Kollegen gut erreichbar.» Der Verein, welcher für die Organisation des Forums ins Leben gerufen wurde, hat seinen Sitz zudem in Realp. Das ist nicht zufällig, denn Linders Kollegen im Vereinsvorstand sind allesamt Urner: Georg Simmen, Herbert Saxer und Franz-Xaver Simmen. Rund 140 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwarten die vier Organisatoren am Freitag in Andermatt. Von Abendessen und Übernachtungen dürften das «Radisson Blu» sowie auch das «Chedi» profitieren, für deren Angebote die Forumsteilnehmer von Spezialkonditionen Gebrauch machen können.

Auch Politiker sind willkommen

Übrigens seien nicht nur Fachleute aus Medizin und Industrie am Forum willkommen. «Es wäre schön, wenn auch einige Politiker den Weg nach Andermatt finden würden», so Linder. Denn wie die kostenintensiven Operationen von Gehörimplantaten – insgesamt rund 75 000 Franken – genau finanziert werden, entscheide letztlich die Politik. Die Schweiz sei hierbei aber bereits führend. «Wir waren das erste Land weltweit, dass solche Implantate bei beidseits gehörlosen Kindern bezahlt hat.» Wichtig sei aber auch die Prävention. Linder appelliert dabei auch an die Betroffenen. «Wenn man merkt, dass das Gehör schlechter wird, dann sollte man auch etwas dagegen tun.»

Autor: Lucien Rahm
Quelle: Urner Zeitung vom 16.09.2019

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