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Wie Botox die Behandlung von Migräne verändert

Die Injektionsbehandlung mit Botulinumtoxin A ist gut etabliert bei der Behandlung von Spastik nach Hirnverletzungen und Dystonie. Dr. med. Stephan Mittas, Leiter der neurologischen Bettenstation, berichtet von der erfolgreichen Behandlung mit Botulinumtoxin eines 53-jährigen Patienten mit therapiefraktärer Migräne.
25. August 2022
Lesezeit: 3 Minuten
Botox wird in die Stirn injiziert.
Botox wird in die Stirn injiziert.

Der 53-jährige Büroangestellte P. wird hausärztlich zugewiesen bei einer Chronifizierung seiner seit Kindheit bestehenden Migräne ohne Aura. Die Familienanamnese ist positiv (Mutter und Schwester mit Migräne). Die Attacken-Frequenz hatte in den vergangenen zwei Jahren von 4 bis 6 Attacken jährlich auf mehr als 15 Attacken monatlich zugenommen.

Als Migräneprophylaxe seien durch ein externes Kopfschmerz-Zentrum bereits Riboflavin, Magnesium, Coenzym Q10, Topiramat sowie ein CGRP-Rezeptorblocker (Aimovig) eingesetzt worden, allerdings ohne anhaltenden Erfolg. Bei starken Attacken helfe Eletriptan 80 mg recht gut. Gemäss Kopfschmerzkalender waren in den vier Monaten vor Zuweisung 11 bis 21 Attacken dokumentiert.

Wiederauftreten der Migräne nach drei Monaten

Nach der Erstbehandlung mit Botulinumtoxin A in die Kopfmuskulatur ist Herr P. nach wenigen Tagen annähernd migränefrei (1 bis 2 leichte Migräneattacken ohne Medikamenteneinnahme), benötigt keine prophylaktischen oder Akut-Medikamente mehr. Nach 3 Monaten, was der zu erwartenden Wirkdauer entspricht, kommt es zu einem Wiederauftreten der Migräne in der bekannten Anfallsfrequenz und -schwere.

Es folgten bis dato weitere 3 Behandlungen im Abstand von 2.5 bis 3 Monaten – jeweils ohne Nebenwirkungen. Seither kam es nie wieder zu schweren Migräneattacken mit vereinzelten noch leichten migränösen Episoden. Die oralen Medikamente konnten dauerhaft abgesetzt werden und weitere Arztkontakte ausserhalb der Botulinumtoxin-Injektionen waren nicht mehr erforderlich.

Der Wirkmechanismus von Botulinumtoxin A über eine Hemmung der Exozytose von Neurotransmittern beschränkt sich nicht nur auf das in die neuromuskuläre Synapse ausgeschüttete Acetylcholin, sondern auch auf diverse schmerzvermittelnde Transmitter wie Substanz P, Glutamat oder CGRP. Ein retrograder axonaler Transport von Botulinumtoxin mit zentraler, schmerzmodulierender Wirksamkeit wird zusätzlich angenommen. So hat Botulinumtoxin einen zunehmenden Stellenwert in der neuropathischen Schmerztherapie.

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    Dr. med. Stephan Mittas, Leiter der neurologischen Bettenstation

    Botulinumtoxin A ist bei chronischer Migräne bezüglich wissenschaftlicher Datenlage kein «game changer» wie die neuen CGRP-blockierenden Medikamente. Bei Spannungskopfschmerz konnte – etwas kontraintuitiv – kein relevanter Effekt ermittelt werden. Bei episodischer Migräne (bis 14 Migränetage im Monat) hat Botulinumtoxin in qualitativ höherwertigen, randomisierten Studien mit ausreichender Probandenanzahl ebenfalls keine nachgewiesene Wirksamkeit.

    Bei chronischer Migräne (15 Migränetage und mehr) hingegen konnte in den grossen, placebokontrollierten Phase III-Studien PREEMPT 1 und 2 eine sehr wahrscheinliche Wirksamkeit von Onabotulinumtoxin A (Botox) nachgewiesen werden. Der Effekt war bei PREEMPT 2 überschaubar mit einer Reduktion von 9 Migränetagen pro Monat vs. 6.7 bei Placebo. Der Prozentsatz von ausgezeichneten Respondern wie Herrn P. wurde in diesen Studien nicht evaluiert. Das Sicherheitsprofil war sehr günstig.

    Effekt schon nach erstem Zyklus sichtbar

    In der Schweiz ist Botox nicht zugelassen und für die Anwendung eine Kostengutsprache notwendig. Der Einsatz ist ausschliesslich bei chronischer Migräne nach Versagen von zumindest zwei First line-Therapien zu empfehlen. Die Verabreichung von 155 E Botox erfolgt hierbei gemäss dem PREEMPT-Schema an 31 verschiedenen Injektionsstellen in die Kopfmuskulatur mit optionaler Gabe 45 weiterer Einheiten gemäss Einschätzung der Behandlungsperson. Die Behandlung wird üblicherweise gut toleriert. Für eine ausreichende Beurteilbarkeit des Ansprechens sind 3 Zyklen im Abstand von 3 Monaten empfehlenswert, wobei in den Studien der Behandlungseffekt nach dem ersten Zyklus bereits grösstenteils sichtbar war.

    Zusammenfassung

    Bei therapierefraktärer, chronischer Migräne mit mindestens 15 Migränetagen im Monat ist eine Behandlung mit Botox  eine valide Option und kann über muskelentspannende und zentral schmerzmodulierende Effekte eine Verbesserung herbeiführen, in Einzelfällen mit ausgezeichnetem Ansprechen. Die Anwendung ist sicher und wird üblicherweise gut toleriert.

    Quellen:

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