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«Ziel ist, möglichst viele Patientinnen brust­erhaltend zu operieren»

lebenmitkrebs.ch - Die Prognosen bei Brustkrebs sind gut – rund 80 % der Frauen können langfristig geheilt werden. Allerdings braucht es bei fast allen Frauen eine Operation – und diese wird oft als massiver Einschnitt in die Weiblichkeit empfunden. Dabei ist eine komplette Brustentfernung nur in wenigen Fällen nötig, zumeist wird brusterhaltend operiert.
19. Oktober 2022
Lesezeit: 4 Minuten
Susanne Bucher Brustzentrum Luzern

Bei welchen Brustkrebspatientinnen wird eine Operation empfohlen?

Dr. Susanne Bucher: Grundsätzlich wird bei allen Patientinnen operiert, die keine Fern-Metastasen haben und deren Gesundheitszustand gut ist. Bei älteren Patientinnen beispielsweise schauen wir jeweils individuell, ob eine Operation sinnvoll ist oder ob zum Beispiel eine Antihormontherapie ausreicht. Eine solche geht allerdings nur, wenn der Tumor hormonabhängig wächst und kein aggressives Wachstum aufweist.

Sie haben erwähnt, dass es wichtig ist, auf die individuellen Wünsche der Patientinnen einzugehen. Wie gehen Sie vor, wenn sich eine junge Frau gegen eine Operation entscheidet?

Bucher: Es kommt immer wieder vor, dass sich Patientinnen nicht sofort für die Operation entscheiden können und erst einmal eine ablehnende Haltung einnehmen. Verständlich, bedeutet eine Brustoperation doch einen tiefen Einschnitt in die Weiblichkeit. Wir klären die Patientin auf, informieren sie und besprechen das weitere Vorgehen immer gemeinsam. Dazu kann eben auch gehören, dass die Frau Zeit braucht für Ihre Entscheidung. Dass sich eine Frau letztendlich gegen eine Operation entscheidet, kommt sehr selten vor. Die Prognose ist massiv schlechter, wenn nicht operiert wird.

Neben dem Schock der Diagnose haben viele Patientinnen die Vorstellung, dass die Brust in jedem Fall entfernt werden muss. Was sagen Sie den betroffenen Frauen?

Bucher: Das Ziel ist heute, dass bei möglichst vielen Patientinnen brusterhaltend operiert wird. Aus Studien weiss man, dass eine Brustentfernung mehr psychische Probleme mit sich bringt und die Frauen häufiger Probleme mit der Körperbildwahrnehmung haben.

Aus Studien weiss man, dass eine Brustentfernung mehr psychische Probleme mit sich bringt und die Frauen häufiger Probleme mit der Körperbildwahrnehmung haben.

Dr. med. Susanne Bucher, Co-Chefärztin und Leiterin Brustzentrum

Welche Kriterien sprechen gegen eine brusterhaltende Operation?

Bucher: Wenn der Tumor sehr gross ist im Verhältnis zur Brust oder wenn sich mehrere Tumore ausgebreitet haben, kann meist nicht brusterhaltend operiert werden. Ebenso beim inflammatorischen Karzinom, einem lokalen, fortgeschrittenen Brustkrebs. Diese Frauen brauchen zuerst eine Chemotherapie, danach folgt die Brustentfernung. Auch bei jungen Patientinnen, die eine genetische Mutation haben, wird eine Mastektomie empfohlen.

Brustentfernung ist nicht gleich Brustentfernung. Welche Operationstechniken haben sich hier etabliert?

Früher wurde die Brust komplett mit der Brustwarze entfernt; das Ergebnis war für die Frauen sehr belastend. Heute machen wir, wenn immer möglich, eine brustwarzenerhaltende Brustentfernung; der Hautmantel bleibt bestehen und die Brust wird wieder hergestellt mit Eigengewebe oder einer Prothese. Das Ergebnis ist sehr ästhetisch, allerdings hat die Frau danach kein Gefühl mehr in der Brust. Das ist der Nachteil. Bei einer brusterhaltenden Operation bleibt das Gefühl bestehen.

Brust weg – Krebs weg. Stimmt das?

Bucher: Leider nicht, obschon diese Vorstellung weit verbreitet ist. Ein Tumor kann leider erneut nach einer Brustentfernung wachsen. Studien zeigen, dass eine Brusterhaltung mit Bestrahlung im Vergleich zur Brustentfernung mindestens so gut ist!

Gibt es auch Nachteile der brusterhaltenden Operation?

Bucher: Der Preis, den die Frau für die Brusterhaltung zahlt, ist, dass sie bestrahlt werden muss. Allerdings haben sich die Bestrahlungsschemata in den letzten Jahren massiv verbessert. Bei kleinen Tumoren und bei älteren Patientinnen kann auch eine Teilbrustbestrahlung durchgeführt werden. Nach einer brusterhaltenden Operation braucht es in manchen Fällen eine Zweitoperation. Nämlich dann, wenn am Rand des entfernten Gewebes noch Tumorzellen vorhanden sind. Das wissen wir allerdings erst nach ein paar Tagen, was für die Frauen oft mit einer Anspannung verbunden ist. Bei uns am Zentrum brauchen rund 7 % der Frauen eine zweite Operation, in gewissen Kliniken liegt die Rate bei bis zu 20 %. Es hängt als sehr davon ab, wie erfahren ein Operateur oder eine Operateurein ist.

Welche Komplikationen kann es nach einer brusterhaltenden Operation geben?

Bucher: Die häufigste Komplikation ist die Nachblutung. In diesem Fall muss die Frau nochmals in den Operationssaal; Auswirkungen auf den Heilungsverlauf oder Spätfolgen hat das allerdings nicht. Ebenso gibt es das Risiko einer Wundheilungsstörung.

Welche Rolle spielt die psychische Verfassung bei der Entscheidung des Operationsverfahrens?

Bucher: Wichtig ist, dass man den Frauen Zeit gibt. Manche Frauen sind so schockiert, dass sie einfach nur ihre kranke Brust loswerden möchten. Diesen Frauen zeigen wir auf, dass dieses Verfahren nicht sicherer ist und, dass sie damit eine sehr radikale Entscheidung treffen. Dabei braucht es gute Aufklärung und viel Feingefühl auch Seitens der Ärzt*innen. Dank der Aufklärungskampagnen kommen die meisten Frauen schon sehr gut informiert in die Sprechstunde und wissen auch, dass ihre Prognosen gut sind.

Quelle: lebenmitkrebs.ch, 19. Oktober 2022

Journalistin: Anna Birkenmeier

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