Diabetesrisiko und hormonelle Therapie bei Patientinnen mit Mammakarzinom
In diese Fall-Kontroll-Studie wurden 2246 Frauen mit lokal begrenztem, invasivem Mammakarzinom eingeschlossen, die mindestens ein Jahr vor Diagnosestellung einen normalen Kohlenhydratstoffwechsel aufwiesen.
Bei einem mittleren Follow -up von 5,9 Jahren entwickelten 324 der 2246 Frauen einen Diabetes mellitus. Die Diabetesprävalenz stieg innerhalb des gut 13-jährigen Beobachtungsintervalls von 6 auf 28%.
Die Hormontherapie erhöhte dabei das Risiko, einen Diabetes zu entwickeln, um gut das Zweieinhalbfache (HR 2,4, 95% CI: 1,26-4,55, p =0,008). Zusätzlich scheint die Behandlungsmodalität einen wichtigen Einfluss zu haben: Während Tamoxifen das Diabetesrisiko verdoppelte (HR 2,25, 95% CI: 1,19-4,26, p= 0,013), war dieses unter Aromataseinhibitoren noch deutlich höher (HR 4,27, 95% CI: 1,42- 12,84, p= 0,010).
Aufgrund dieser Daten kann gefolgert werden, dass die hormonelle Therapie ein signifikanter Risikofaktor für die Entstehung eines Diabetes mellitus bei Frauen mit Mammakarzinom darstellt. Die Autoren jedoch halten klar fest, dass der Benefit der Hormontherapie in Bezug auf das Überleben das Diabetesrisiko klar überwiegt und die Behandlung deswegen nicht gestoppt werden soll.
Kommentar von Dr. med. Stefan Fischli
Verschiedene Daten haben in der Vergangenheit eine mögliche Assoziation zwischen Diabetes mellitus und malignen Tumoren - unter anderem auch dem Mammakarzinom - gezeigt. Dass die Tumorbehandlung umgekehrt auch einen Einfluss auf die Entstehung von Diabetes haben kann, ist weniger bekannt. Untersuchungen im Zell-/Tier-Modell und beim Menschen finden einen positiven Einfluss des Östrogens auf Betazellfunktion und Insulinresistenz. Somit liegt die Vermutung nahe, dass das Eingreifen in diese endokrinen Mechanismen auch Parameter des Kohlenhydratstoffwechsels verändert und damit das Diabetesrisiko erhöht. Diese Assoziation wurde in der vorliegenden Studie bestätigt.
Während die Behandlung mit Tamoxifen das Diabetesrisiko mehr als verdoppelt, ist es beim Einsatz von Aromataseinhibitoren sogar vierfach erhöht. Nicht nur die Art der onkologischen Therapie war entscheidend: Betroffene Frauen hatten sowohl vor als auch nach der Diabetesdiagnose einen signifikant höheren BMI, waren körperlich inaktiver und ernährten sich weniger ausgewogen. Was heisst dies nun für den klinischen Alltag? Wie bereits erwähnt, stellt die Entwicklung eines Diabetes mellitus unter Hormontherapie keinen Abbruchgrund für die Behandlung dar, da der Nutzen weitaus überwiegt. Frauen unter Hormontherapie müssen aber in regelmässigen Abständen hinsichtlich Entwicklung eines Diabetes mellitus überwacht werden (z. B. durch Bestimmung des HbA-Wertes). Besonderes Augenmerk ist auf prävalente Risikofaktoren (z. B. Frauen mit familiärer Diabetes-Belastung bzw. Übergewicht/ Adipositas) und auf die lebensstiländernden Massnahmen (z. B. Motivation zur regelmässigen körperlichen Aktivität, Gewichtskontrolle-/Abnahme bei Übergewicht) zu legen. Letzteres jedoch auch im Wissen darum, dass dies im Kontext der gleichzeitig bestehenden Krebserkrankung eine herausfordernde Situation für Betroffene und Arzt darstellen kann.
Quelle: OncoMag vom 15.11.2018