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Man ist, was man isst

CURADEN: Weshalb es für den ganzen Körper eine Rolle spielt, welche Bakterien den Mund bevölkern. Und warum die richtige Ernährung über eine gute Mundgesundheit zu einer Gesamtgesundheit führt und selbst gegen Krebserkrankungen vorbeugend wirken kann. Das grosse Interview mit Daniela Weiler. Sie ist in der Medizinischen Onkologie am Tumorzentrum des Luzerner Kantonsspitals tätig und zugleich Spezialistin für Ernährungsmedizin.
1. Januar 2018
Lesezeit: 10 Minuten
Dr. med. Daniela Weiler

Anmerkung: Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Zeitschrift The Spirit vom Unternehmen CURADEN.

Frau Weiler, Sie sind seit Kurzem in einem regen Austausch mit Ueli Breitschmid von der CURADEN. Weshalb haben Sie eine Zusammenarbeit gesucht?
Daniela Weiler: Ueli Breitschmid und ich kamen in Kontakt, weil er im Bereich Ohren-Nasen-Hals-Tumoren die Zahnbürsten von CURAPROX testen wollte.
Es war im Oktober letzten Jahres ein glücklicher Zufall, dass wir unsere gemeinsamen Interessen fanden: Diese liegen in der Prävention von Krankheiten. Seither pflegen wir einen offenen Austausch. Wir bringen uns mit unserem Wissen ein. Ueli Breitschmid zeigt grosses Interesse an der richtigen Ernährung und an der Prävention. Da finden wir uns komplett.

Ist der Mund das Tor zur Gesamtgesundheit, wie es Ueli Breitschmid gerne propagiert?
Das ist sicherlich richtig. Doch durch den Mund finden nicht nur Bakterien den Weg in den Körper. Ich sehe das in einem noch grösseren Zusammenhang. Der Mund ist das Tor für die Nahrungsmittel, die wir uns zuführen. Diesen – Essen und Trinken – kommt eine grosse Bedeutung für die Gesundheit zu. Richtig ist das Bild vom Tor zur Gesundheit, weil der Mund nicht isoliert zu betrachten ist. Gerade, wenn wir von Entzündungen sprechen, sind die Zusammenhänge evident. Entzündungen im Mund können Auswirkungen auf den gesamten Körper haben. Ein chronischer Entzündungszustand ist vom Mund ausgehend für den ganzen Körper von erheblicher Bedeutung.

Wie wirkt sich eine Entzündung im Mund beispielsweise aus?
Nehmen Sie das Beispiel der Parodontitis. Die Bakterien sitzen im Mund, doch wir können sie auch in Tumoren nachweisen. Wir haben den Verdacht, dass diese Bakterien – wir sprechen in diesem Beispiel von Fusobacterium nucleatum, Porphyromonas gingivalis und Treponema denticola– vom Mund zum Beispiel in den Darm wandern. Sie sind gerade bei Dickdarmkrebs zu finden. Wir haben den Nachweis auch bei Mundtumoren im Ohren-Nasen-Hals-Bereich gesehen. Ebenfalls beim Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es ist umgekehrt klar, dass Tumorpatienten mit den genannten Erkrankungen vermehrt auch unter Parodontitis leiden.

Ist das wissenschaftlich nachgewiesen?
Studien belegen dies. Es ist aber immer die Frage, was zuerst ist.

Könnte es auch umgekehrt sein: Bakterien, die im Dickdarmtumor vorhanden sind, finden auch den Weg in den Mund?
Bewiesen ist diese Kausalität noch nicht. Ich stelle mir das auch sehr schwierig vor. Aber ein Zusammenhang ist offensichtlich.

Interessiert sich überhaupt jemand in der Forschung gegenwärtig für diese Zusammenhänge?
Gerade eben wurde eine neue Studie publiziert, die darauf eingeht. Daten sind vorhanden. An einem Kongress in Rom wurde kürzlich ebenfalls von Bakterien berichtet, die auf dem Biofilm des Tumors im Darm sitzen, aber auch im Mund zu finden sind. Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen. Die sogenannte Mikrobiom-Forschung findet aber langsam ihren Weg in die Kliniken. Wir entdecken immer mehr Zusammenhänge und wissen um die Wichtigkeit des Mikrobioms in der Therapie von Krebs. In den nächsten Jahren wird sich hier noch vieles tun.

Was ist ein Mikrobiom?
Das Mikrobiom ist unsere ganze Mikroorganismenvielfalt, die wir auf dem und im Körper mit uns tragen. Im Darm befinden sich um die hundert Billionen Bakterien. Unser Körper besteht aus 10 Prozent menschlichen Zellen und 90 Prozent nicht menschlichen: Darunter fallen Viren, Pilze, Bakterien. Die Verhältnisse sind eindrücklich. Der grösste Teil der Bakterienflora befindet sich im Magen-Darm-Trakt. Ein Teil sitzt auf der Haut.

CURADEN weiss aus Forschungsergebnissen, dass beispielsweise zwischen zwei Zähnen jeweils rund 15 Milliarden Bakterien stecken. Die Zahlen sind unglaublich. Wichtig ist: Nicht alle dieser Bakterien sind schädlich. Einige braucht es.

Die Forschung geht davon aus, dass 80 Prozent dieser Bakterien gut sind. Die entscheidende Frage ist natürlich, wie man die schädlichen Bakterien entfernt, ohne die guten zu zerstören.

Ist das möglich?
Ich glaube, es ist mit der richtigen Ernährung möglich – und hier komme ich mit meinem Spezialgebiet ins Spiel. Mit der Wahl der Nahrungsmittel kann der Mensch seine Darmbakterien und deren Vielfalt stark beeinflussen. Es ist bewiesen, dass die Menschheit leider im Verlauf der Jahrhunderte an Vielfalt der Darmbakterien verloren hat.

Warum betonen Sie die Vielfalt der Bakterien so stark?
Zwei grosse Studien haben den Nachweis erbracht, dass die Vielfalt der Bakterien in uns direkt mit unserer Gesundheit verbunden ist.

Heisst die Gleichung: je vielfältiger, desto gesünder?
Genau.

Welche Ernährung ist denn die richtige für die Förderung der Vielfalt?
Kurz gefasst: Essen Sie mehr Ballaststoffe. Konsumieren Sie weniger Zucker und Transfette, weniger Weissmehl oder Fleisch. Essen Sie mehr Pflanzen mit Fasern!

Weniger Fleisch?
Unbedingt. Gesättigte Fette sind ungesund. Zudem nehmen wir heute viel zu viel an Protein, gesättigten Fetten, Salz und Zucker zu uns.

Förderlich wären demnach pflanzliche und vollkornhaltige Nahrungsmittel. Halten Sie sich selber an diesen Speiseplan?
Ja, meistens. Seit gut drei Jahren immer konsequenter.

Wollten Sie abnehmen?
Nein, aber lustig, dass Sie das fragen. Diese überbordende Form der täglichen Proteinzu­fuhr scheint seit den Zeiten der Weltkriege tief in uns Menschen drinzustecken. Wir haben Angst, dass wir und vor allem auch unsere Kinder, zu wenig Nahrung kriegen. Die Menschen denken, sie müssten Reserven zulegen. Resultat: Wir essen durchschnittlich pro Tag über das Doppelte der Menge an Proteinen, die wir täglich zu uns nehmen sollten.

Wie lange muss man seine Ernährung umstellen, bis das Mikrobiom reagiert?
Das geschieht bereits nach kurzer Zeit. Untersuchungen berichten von veränderten Mikrobiomen innerhalb von nur einer Woche. Wichtig ist das dauerhafte Umstellen der Ernährung, nicht das zeitlich begrenzte Abhalten einer Diät. Das Dauerhafte ist gefragt.

In den USA zum Beispiel werden Bakterien über den Darmausgang künstlich zugeführt. Ist das sinnvoll?
Diese sogenannten Fäkaltransplantationen haben nur einen kurzfristigen Effekt. Wer anschliessend nicht das Klima schafft und sich demnach die Ballaststoffe nicht in der richtigen Menge zuführt, der kann es sicherlich sein lassen. Wenn sich die Bakterien nicht wohlfühlen, werden sie auch schnell wieder ausgeschieden.

Warum haben Sie vor drei Jahren angefangen, anders zu essen?
In meiner Familie besteht die Prädisposition zu Autoimmunerkrankungen. Ich selber leide unter einer Psoriasis-Arthritis. Weitere Erkrankungen in der Familie haben uns zum Umstellen der Ernährung gebracht.

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Haben Sie von einem Tag zum anderen die Ernährung umgestellt?
Nein, wir haben uns Schritt für Schritt entwickelt. Zu Beginn assen wir noch Mutterkuhfleisch, von Kühen also, die nicht gemästet werden, sondern ausschliesslich Gras fressen. Man weiss, dass dieses Fleisch mehr Omega-3-Fettsäuren aufweist und damit dem Fisch ähnlicher ist. Zudem reduzierten wir die gesättigten Fette und kauften zum Beispiel nur noch Magermilch. Im Zuge des Studiums der Thematik verzichteten wir dann auf alles Fleisch, auch auf Hühnchen, da dieses in unseren Breitengraden einen sehr viel höheren Fettanteil aufweist als früher.

Fisch essen Sie noch?
Ja. Doch pflanzliche Nahrung drängte sich bei mir in den Vordergrund. Milcheiweisse lassen wir ganz bleiben, denn gerade sie können Auslöser für Schübe bei Autoimmunerkrankungen sein.

Sie sind Fachmedizinerin für Innere Medizin und Onkologie. Nun setzen Sie sich aus eigener Betroffenheit intensiv mit Ernährungsfragen auseinander. Sind Sie damit eine Aussenseiterin in Ihrer Zunft, die sich auf medikamentöse Krebsbehandlungen konzentriert?
Ich würde nicht so weit gehen und mich als Aussenseiterin bezeichnen. Aber es stimmt, Onkologen haben am Thema Ernährung nicht extrem grosses Interesse. Ich werde heute aber tagtäglich auf dieses Thema angesprochen.

Von Patienten?
Ja, Krebspatienten fragen oft, was sie selbst beitragen können. Bisher hat man in den Antworten von Sport gesprochen, von genug Schlaf und energiereichem Essen, um Gewichtsverlust zu vermeiden. Heute wissen wir, dass eine Kalorie nicht einer Kalorie entspricht, sondern, dass es darauf ankommt, was für ein Lebensmittel diese Kalorie ist.

Die Medien sind intensiver als auch schon mit Ernährungsthemen beschäftigt. Ist die Zeit reif dafür?
Es ist eher die Frage, ob man sich dafür interessiert. Wer sich interessiert, sieht wahrscheinlich in den Medien plötzlich auch entsprechende Berichte. Ausserdem ist die Verunsicherung in der Gesellschaft gross. Es ist heute ziemlich schwierig, herauszufinden, was gut und sinnvoll ist und was vielleicht eher modisch und angesagt ist. In der Ernährungsfrage ist jeder selber ein Spezialist und hat seine eigene Meinung.

Existieren nicht verschiedene Menschentypen, die nach unterschiedlichen Ernährungsinhalten verlangen?
Ich glaube nicht – aber das ist mein Glauben. Wissenschaftlich habe ich das noch nie abgestützt gefunden. Klinische Studiennachweise zu erbringen, wie wir sie für Medikamente verlangen, ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Aber was gesund ist, ist sehr klar beschreibbar, auch wenn unter anderem die Nahrungsmittelindustrie andere Interessen und Meinungen vertritt.

Wieso hat die Nahrungsmittelindustrie andere Interessen?
Diese versucht selbstverständlich einerseits ihre etablierten Produkte zu vermarkten und andererseits am immer grösser werdenden gesundheitsbewussten Publikum mit entsprechenden neuen Produkten zu verdienen.Sie trinken während unseres Interviews Wasser, ich hingegen einen Orangensaft. Ist er nicht gesund?
Gesund ist Ihr Saft nicht. Durch das Pressen gehen die Ballaststoffe verloren, sodass es sich zum grössten Teil um Zucker und Wasser handelt.

«Essen Sie mehr Ballaststoffe. Konsumieren Sie weniger Zucker und Transfette, weniger Weissmehl oder Fleisch. Essen Sie mehr Pflanzen mit Fasern!»

Dr. med. Daniela Weiler, Leitende Ärztin Medizinische Onkologie

In Ihrer Ernährungsbroschüre schreiben Sie von einem 3-Säulen-Prinzip. Was verstehen Sie darunter?
Das ist meine ganz eigene Definition für die wichtigen Dinge in der Krebsprävention: Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung. Diese drei Säulen können nebst einer Therapie bei der Bewältigung einer Krebserkrankung zur besseren Prognose beitragen. Das ist wissenschaftlich abgestützt und erwiesen. Auch in der Primärprävention, in der Vorsorge, dass man gar nicht erst an Krebs erkrankt, kann man dieses 3-Säulen-Prinzip anwenden. Sehr viele Beobachtungsstudien und Interventionsstudien befassen sich mit der Primärprävention. Oft wird jedoch nur ein kleiner Aspekt der Ernährung, wie zum Beispiel der Nusskonsum oder Olivenölverbrauch untersucht.

Welches ist der Risikofaktor Nummer eins für Krebserkrankungen in unseren Breitengraden?
Übergewicht hat das Rauchen überholt. In der Schweiz steigt die Kurve an.

Zusammengefasst: Die richtige Ernährung geht durch den Mund und führt zu einer besseren Prävention, aber auch zu einer grösseren Wahrscheinlichkeit, dass man Krebserkrankungen übersteht?
Das ist wissenschaftlich abgestützt. Am wenigsten Daten haben wir im palliativen Bereich, also dort, wo wir es bereits mit metastasierten Krebserkrankungen zu tun haben. Man kann noch einen Schritt weitergehen: Eine pflanzenbasierte, vollwertige Ernährung wirkt auch positiv in der Prävention von Demenz, gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gegen Diabetes, gegen rheumatische Erkrankungen. Und wenn es in all diesen Fällen nicht zu hundert Prozent bewiesen ist: Diese Ernährungsform schadet nicht – sie weist bestimmt weniger Nebenwirkungen auf als alle Medikamente, mit denen die Erkrankungen bekämpft werden müssen.

Warum sprechen Sie nie vom Rauchen?
Das sollte allen bekannt sein: Rauchen und Alkohol sind schädlich. Das muss ich nicht mehr erwähnen.

Von einem Punkt sprechen Sie ebenfalls nicht – von den selbstheilenden Kräften. Warum nicht?
Der Selbstantrieb ist wichtig. Er ist Voraussetzung für ein gutes Gelingen jeder Therapie. Menschen, die aktiv werden und selber etwas unternehmen, haben eine bessere Prognose. Was mir auffällt: Patienten haben grosses Interesse an diesen Themen, auch Pflegefachfrauen, mehr als Ärzte, die vielleicht einfach nicht die Zeit haben und zu sehr in ihren Fachgebieten und Alltagsaufgaben stecken.

Sie scheuen sich nicht davor, Ihren Patienten Kochrezepte abzugeben. Warum?
Ich möchte aufzeigen, dass eine gesunde Küche nicht mit einer langweiligen und eintönigen gleichgestellt sein muss. Meine Rezepte wollen bunt und vielfältig sein.

So wie Ihr buntes Armband, mit dem Sie sich im weissen  Kittel vom Spitalalltag abheben?
Genau so. Ich brauche etwas Farbe um mich herum. Patienten schätzen das. Sie sehen dann in mir einen Menschen, der im Leben steht.

Blicken wir in die Zukunft: Könnte ein kombiniertes Angebot von Mundhygiene und Ernährung die Krebsprävention verbessern?
Das kann sicherlich in der Primärprävention der Fall sein. Was man in den Mund führt, ist enorm wichtig. Spannend ist übrigens auch die Rückkopplung zwischen dem Mikrobiom und speziell zwischen Darmbakterien und dem Hirn. Hirn und Darm kommunizieren miteinander.

Woran merken Sie das selber?
Früher ass ich zweimal pro Tag Fleisch. Ich konnte mir gar keinen Tag ohne Fleischnahrung vorstellen. Etwa ein halbes Jahr nach meiner Nahrungsumstellung verschwand das Verlangen nach fleischlicher Nahrung vollkommen. Ich vermisse es nicht. Inzwischen stossen mich besonders ungesunde Formen der fleischlichen Nahrung – wie Würste – sogar ab. Ich bin überzeugt, dass sich meine Darmflora verändert hat und inzwischen meinem Hirn andere Gelüste signalisiert. Das ist logisch und nachweisbar, denn meine jetzigen Darmbakterien wollen überleben und sie verlangen von meinem Mund deshalb, dass er die passenden Nahrungsmittel zuführt und unpassende vermeidet. 

Was essen Sie am liebsten?
Salate, alle Gemüse, Nüsse, Avocado, Tofu, Seitan, Vollkornreis, Quinoa, Süsskartoffeln, Bulgur, Vollkornteigwaren. Ich habe kein Lieblingsessen mehr. Früher liebte ich Stroganoff.

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