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Pandemie schweisste Rettungsdienst-System noch näher zusammen

star of life - Das Coronavirus führte erstmals seit vielen Jahren zu einer «ausserordentlichen Lage» in der gesamten Schweiz. Was die Pandemie beispielsweise für den Rettungsdienst des Luzerner Kantonsspitals (LUKS) bedeutet, erzählt die Leiterin der Organisation. - Das Interview wurde aufgrund der langen Produktionszeit des «star of life» Anfang April geführt.
1. Juni 2020
Lesezeit: 4 Minuten
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Dr. Esther Schmid Lussmann, ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes des Luzerner Kantonsspitals (LUKS). Die 47-jährige Anästhesistin ist auch als Notärztin tätig. Der RD LUKS leistet von seinen drei Standorten Luzern, Sursee und Wolhusen aus rund 16000 Einsätze jährlich. 

Coronavirus: seit Wochen das zentrale Thema. Doch wann hörten Sie diesen Begriff zum ersten Mal?

Dr. Esther Schmid: Das erste Mal hörte ich ungefähr Ende 2019 aufgrund einer Meldung aus China vom Virus. Vorerst mal diskutierte man das im Spital weniger bezüglich des Rettungsdienstes als allgemein medizinisch. Es kamen erste Gedanken auf, was das für uns bedeuten könnte. Aber konkrete Massnahmen wurden damals noch nicht abgeleitet.

Wie entwickelten sich diese ersten Gedanken?

Wir hatten diese Thematik ja schon früher einmal mit SARS. Bei uns lief die Diskussion vor allem in die Richtung, wie gravierend dieses Virus wohl für uns Menschen sein dürfte. Wir verfolgten über die Medien, was in China ablief.

Und was realisierten Sie dabei?

Im Bewusstsein, wie mobil die heutige Gesellschaft ist, waren wir letztlich nicht überrascht vom Ausmass, das die Verbreitung des Virus annahm.

In der Folge bereitete sich der Rettungsdienst des Luzerner Kantonsspitals auf diese Situation vor.

Ja, wir analysierten zuerst, welche Herausforderungen sich uns in dieser Lage stellen. Dann klärten wir ab ob es kurzfristig Massnahmen braucht.

Luzern ist ein beliebter Ort für asiatische Touristen. Entsprechend hatten wir initial Respekt vor einem möglichen Hotspot.

Gab es besondere Aspekte zu beachten?

Luzern ist ein beliebter Ort für asiatische Touristen. Entsprechend hatten wir initial Respekt vor einem möglichen Hotspot. Dieser kam zum Glück jedoch nicht, da die Reisetätigkeit der Asiaten früh massiv eingeschränkt wurde.

Was wurde rein innerbetrieblich gemacht?

Unsere internen Abläufe zu den Hygiene- und Schutzmassnahmen wurden früh mit der Infektiologie und Spitalhygiene überarbeitet, und es wurden frühzeitig präventive Massnahmen für die Mitarbeitenden herausgegeben. Beispiele sind die generelle Maskentragepflicht und die konsequente Zutrittsbeschränkung für die Sanitätsnotrufzentrale und den Rettungsdienst. Für uns stellte sich rasch heraus, dass eine der grössten Herausforderung darin besteht, den Krankheitsausfall der Mitarbeitenden zu minimieren.

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Der Rettungsdienst des Luzerner Kantonsspitals traf eine Reihe von Massnahmen, um während der Corona-Krise die Einsatzfähigkeit möglichst ohne Abstriche aufrechtzuerhalten.

Kam es zu Anpassungen im technischen und organisatorischen Bereich?

Wir haben das Konzept für die Fahrzeugreinigung überarbeitet und verbessert. Materialtechnisch waren keine Änderungen nötig, da wir hier schon gut aufgestellt sind, was sich auch in dieser Situation auszahlte. Im organisatorischen Bereich waren wir gefordert beim Antizipieren, welche Auswirkungen der Ausfall von Mitarbeitenden haben könnte. Schliesslich müssen wir unsere Versorgungsleistung ja auch unter solchen Bedingungen erbringen.

Zur Sicherstellung der Versorgungsleistung haben wir Rettungswagen an Standorten der Feuerwehr platziert. Das ermöglicht es, mit nur einer medizinischen Fachperson und einem Feuerwehrmann als Fahrer unterwegs zu ein, falls Mitarbeiter ausfallen sollten.

Fielen denn RettungsdienstMitarbeitende aus?

Wir geben grundsätzlich keine Auskunft über allfällige Ansteckungen von Mitarbeitenden. Ihr Schutz aber hat selbstverständlich hohe Priorität. Zur Sicherstellung der Versorgungsleistung haben wir vorsorglich einzelne Rettungswagen an Standorten der Feuerwehr platziert. Das ermöglicht es uns, mit nur einer medizinischen Fachperson und einem Feuerwehrmann als Fahrer unterwegs zu ein, falls Mitarbeiter ausfallen sollten.

Haben Sie genug Mittel zur Bewältigung dieser ausserordentlichen Lage bekommen?

Das ist derzeit sehr schwierig zu sagen, weil nicht voraussehbar ist, ob und wann der Peak kommt. Wir achten laufend darauf, dass wir genug Material haben; das ist allen wichtig, auch den kantonalen Behörden.

Welche Projekte mussten wegen der Krise zurückgestellt oder sogar ganz gestrichen werden?

Intern musste die gesamte Weiterbildung inklusive dem Zentralschweizer Rettungsdienstsymposium abgesagt werden. Die Dienstplanung wurde mehrmals den veränderten Bedingungen angepasst. Hier zeigten sich die Mitarbeitenden trotz einschneidender Massnahmen sehr flexibel und verständnisvoll. Auch mussten Projekte zurückgestellt werden. Zudem stellten uns Homeoffice einzelner Mitarbeitender und Videokonferenzen anstelle von Sitzungen organisatorisch vor neue Herausforderungen. Wir sind aber bereits auch am Planen der «Phase danach».

Unsere Mitarbeitenden sind sehr ruhig unterwegs.

Wie gehen die Mitarbeitenden mit der ganzen Situation um?

Unsere Leute sind sehr ruhig unterwegs. Trotzdem ist die angespannte Lage sehr wohl spürbar. Die initiale Unsicherheit konnte durch regelmässige Information gut aufgefangen werden.

Und die Corona-Patienten: ist ihr Management anders im Vergleich zu sonstigen infektiösen Patienten?

Nein, grundsätzlich ist auch Corona eine Tröpfcheninfektion. Die Präsenz von Corona ist überall spürbar, aber das ändert nichts im Umgang mit solchen Patienten. Zudem hatten wir ja bisher nicht massenhaft solche Einsätze und können noch wenig spezifische Erfahrungen daraus ableiten.

Dennoch: Welche Lehren kann man bereits heute aus der Krise ziehen?

Wir überlegen uns jetzt schon, welche positiven Erkenntnisse wir mitnehmen können und was wir anders machen müssten. Was sich in dieser Phase bewährt hat, ist die sehr gute interkantonale Zusammenarbeit unter den Zentralschweizer Rettungsdiensten und den Blaulichtorganisationen, diese wird denn auch weiter ausgebaut. Man kann sagen, die Pandemie schweisste das System noch mehr zusammen - das ist sicher ein grosser Benefit. Und es ist eine Stärke des Rettungsdienstes, dass die Mitarbeitenden schon vom Alltagsgeschäft her flexibel und dynamisch unterwegs sind. Das zeigt sich jetzt besonders positiv in dieser dynamischen Lage.

Quelle: star of life vom 15.05.2020
Autor: Ernst Hilfiker

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