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Sportcamp für übergewichtige Jugendliche – Übergewicht darf auch mal Nebensache sein

Im HIPFIT-Camp für übergewichtige Jugendliche schliessen die Teilnehmenden neue Bekanntschaften und vergnügen sich bei Spiel und Spass. Dies mit dem Ziel, ein Bewusstsein zu schaffen für sich und das eigene Wohlergehen. Camp-Leiterin Andrea Ramseier vom Luzerner Kantonsspital (LUKS) verrät: «Es gibt Jugendliche, die mehrmals kommen.»
12. Mai 2022
Lesezeit: 4 Minuten
Die Jugendlichen sind im HIPFIT-Camp in vielen Disziplinen aktiv.
Die Jugendlichen sind im HIPFIT-Camp in vielen Disziplinen aktiv.

Kinder und Jugendliche mit Übergewicht haben es manchmal wortwörtlich schwer: Hänseleien im Sportunterricht oder auf dem Pausenplatz kommen genauso vor wie Schwierigkeiten bei der Lehrstellen-Suche. Damit wird ihnen sehr Unrecht getan.

«Dass übergewichtige Jugendliche sich per se nicht gerne bewegen, trifft so nicht zu», sagt Andrea Ramseier. Vielmehr fehlen passende Bewegungsangebote, die das HIPFIT-Camp – nebst vielem Anderen – bieten kann.

Andrea Ramseier ist Beraterin im psychosozialen Bereich am LUKS und leitet das Camp. Das HIPFIT-Camp wird von der Dienststelle Gesundheit und Sport des Kantons Luzern in Zusammenarbeit mit dem Adipositaszentrum Zentralschweiz des Luzerner Kantonsspitals organisiert. Die Verantwortlichen freuen sich über die zahlreichen positiven Feedbacks.

Vom gemeinsamen Kochen bis Karate ist alles dabei

Wie in allen Camps gibt es Jugendliche, die es ein grosses Stück Mut kostet, sich für das Camp anzumelden – auch weil es teilweise die erste Lagerteilnahme überhaupt ist. «Das ist ganz normal», so Andrea Ramseier. Es ist für die Jugendlichen wichtig zu erfahren, dass sie mit ihrem Übergewicht nicht allein sind.

Wir wollen den Jugendlichen zeigen, dass sie auf sich selbst stolz sein können.

Andrea Ramseier

Deshalb stürzten sich die 17 Teilnehmenden nach Verabschiedung der Eltern ins Abenteuer in Elm. Während den Osterferien übten sie sich unter anderem im Karate, spielten Basket- oder Fussball, machten eine Wanderung, gingen ins Hallenbad oder liessen sich am Wellness-Abend verwöhnen.

Ausserdem waren die Traumdoktoren der Stiftung Theodora auf Besuch und brachten noch mehr Abwechslung und Spass ins Lagerleben.

Das Leiterteam ist bedacht, einen guten Mix zwischen Ernährung, Bewegung und Lerneinheiten, den sogenannten Inputs, zu finden. Wichtige Themen, die gekonnt zwischen den sportlichen, kulinarischen und gesellschaftlichen Elementen einfliessen, sind die Ernährung und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstvertrauen. Unter dem Motto «Was heisst’s, guet zu sech z’luege» möchte das Camp bei den Teilnehmenden ein Bewusstsein schaffen für sich und das eigene Wohlergehen.

Einen «Töggelikasten» hat das Lagerhaus in Elm ebenfalls zu bieten.
Einen «Töggelikasten» hat das Lagerhaus in Elm ebenfalls zu bieten.

Die Wäscheklammer bestimmt die Portion

Auch «Normalgewichtigen» kann es passieren, dass sie sich beim «Essen-Schöpfen» überschätzen und zu viel essen. Einigen Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas) fällt es jedoch besonders schwer, ihren Hunger einzuschätzen. Starkes Übergewicht ist oftmals die Folge von Hormonstörungen, die unser Essverhalten steuern. «Im Lager geht es darum, sich vertieft mit dem Hunger und der Sättigung auseinanderzusetzen und da – wo möglich – Einfluss darauf zu nehmen beziehungsweise einen Umgang damit zu lernen.»

Einfluss kann man bei ungesunden Essgewohnheiten nehmen. Doch was sind Essgewohnheiten, die nicht gesund sind? «Manche essen, um Spannung abzubauen, um sich bei Langeweile zu unterhalten oder auch zur Belohnung.», sagt Andrea Ramseier. Als psychosoziale Beraterin unterstützt sie Betroffene dabei, ein Bewusstsein für die verschiedenen Essgründe sowie für das eigene Hungergefühl zu schaffen.

Wir halten den Jugendlichen keine Vorträge, das wäre der völlig falsche Ansatz. Im Lager sollen die Teilnehmenden ihr Übergewicht auch mal vergessen dürfen – Kind sein, Spass haben.

Andrea Ramseier

Um dies den Jugendlichen des HIPFIT-Camps auf eine spielerische Art und Weise zu vermitteln, verwendet das Leiterteam eine Wäscheklammer-Skala. Vor der Mahlzeit werden die Mädchen und Jungen gebeten, ihren eigenen Hunger von 1 bis 10 einzuschätzen. Wer grossen Hunger hat, setzt sein persönliches «Klämmerli» bei der 10, wer einen kleineren Hunger verspürt, bringt es bei einer kleineren Zahl an – und schöpft sich eine entsprechende Portion.

«Starkes Übergewicht ist eine chronische Krankheit»

Andrea Ramseier betont, dass insbesondere die Aufklärung sowohl bei Betroffenen als auch deren Umfeld sehr wichtig sei: «Starkes Übergewicht, Adipositas, ist eine chronische Krankheit.» Das zu wissen, löse zwar das Problem nicht, es könne jedoch helfen, Vorurteile gegenüber diesen Personen sowie sich selbst gegenüber zu überwinden.

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Andrea Ramseier, Beraterin im psychosozialen Bereich am LUKS, Leiterin HIPFIT-Camp
Trotz ausreichender Bewegung und einer Umstellung der Ernährung nehmen adipöse Menschen ab einem gewissen Punkt nicht weiter ab, ohne die eigene Gesundheit zu gefährden. Deshalb ist es wichtig, dass Adipositas professionell begleitet wird.

Andrea Ramseier

Das HIPFIT-Camp gibt wertvolle Inputs und bestärkt die Jugendlichen in ihrem Selbstvertrauen. Nach einer Woche sei die Arbeit aber nicht getan. In der Adipositas-Therapie werde man durch ein interdisziplinäres Team aus Kinderärztinnen und Kinderärzten sowie Fachleuten der Ernährungsberatung, Physiotherapie und Psychologie betreut.

So zum Beispiel im Adipositaszentrum des LUKS. Dieses bietet spezielle Sprechstunden für Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren. Die Spezialistinnen und Spezialisten entwickeln gemeinsam mit den Betroffenen und ihren Eltern eine individuell angepasste Therapie unter Berücksichtigung aller familiären und sozialen Faktoren.  

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